Lernen durch Erklären – selbstgedrehte Erklärfilme am Unterrichtsbeispiel „Strategien und Maßnahmen zum Schutz der Erdatmosphäre in Politik und Gesellschaft“
Digitale Medien als integraler Bestandteil geographischer Kompetenzförderung – Schüler werden selbst zu Regisseuren und Filmproduzenten von Explainity-Clips
In dem folgenden Artikel wird das Unterrichtskonzept „Lernen durch Erklären“ mit dem Einsatz von digitalen Medien vorgestellt. Die Schüler organisieren im Kontext eines kompetenzorientierten Geographieunterrichts in Kleingruppen ihren Lernprozess selbstständig und eigenverantwortlich über einen vorgegebenen Zeitraum. Ziel des Projektes ist es, einen Explainity-Clip zu drehen, der den Mitschülern komplexe Sachverhalte didaktisch reduziert und unterhaltsam vermittelt. Dies erfordert eine intensive Auseinandersetzung mit den neuen Fachinhalten. Die Reflexion des Lernprozesses während des Projektes erfolgt durch das Erstellen eines individuellen Portfolios.
Was sind Explainity-Clips?
„Ein weißes Blatt Papier, eine Schere, einen schwarzen Stift, eine gute Idee und drei bis fünf Minuten Aufmerksamkeit: Mehr brauchen die Macher von explainity nicht, um ihren Zuschauern die Welt zu erklären“ (Zitat Stuttgarter Zeitung 2012). Die Explainity-Clips, allgemein auch als Erklärvideos oder How-to-Videos bezeichnet, boomen derzeit im Internet. Den Zuschauern werden komplexe Zusammenhänge und aktuelle Themen – teilweise stark vereinfacht – verständlich und unterhaltsam anhand von einem Kommentator, dessen Ausführungen mit der „Lege-Trick-Technik“ visualisiert werden, erklärt. Das „Explainity Education Project“ startete im Jahre 2011 als wissenschaftliches Projekt an der Leuphana Universität Lüneburg; mittlerweile werden neben den kostenlosen Erklärfilmen auf Youtube (zum Beispiel zu den Themen Europawahl, Insolvenz und Börsenkurse), auch Auftragsarbeiten für Unternehmen, Organisationen und Behörden angeboten.
Lernziele
Das Drehen der Explainity-Clips verfolgt, neben dem fachlichen Wissenszuwachs, auch eine Erweiterung der Methoden- und Medienkompetenz. Die Schüler trainieren das Internet als Informationsquelle zu nutzen. Vor allem müssen die gewonnenen Informationen ausgewertet und dann vereinfacht und verständlich in einem kurzen Filmclip anhand einer selbstausgedachten Storyline umgesetzt werden. Dies erfordert sowohl eine detaillierte fachliche Einarbeitung als auch Kreativität, um die Inhalte unterhaltsam und informativ umzusetzen.
Da das Projekt selbstständig in Kleingruppen durchgeführt wird, ist eine hohe Autonomisierung des Lernprozesses gewährleistet. Die Arbeit in den einzelnen Gruppen ist im besonderen Maße geeignet, um die Team- und Kommunikationsfähigkeit zu steigern. Durch den Einsatz von digitalen Medien (Internet, Handykameras und gegebenenfalls Umgang mit Videoschneideprogrammen) werden die medialen Kompetenzen der Schüler vertieft. Erfahrungsgemäß verfügen die Schüler schon über gute Vorkenntnisse in Bezug auf den Einsatz von Handykameras und dem anschließenden Bearbeiten des gedrehten Materials.
Aufgrund der Lernproduktorientierung (Erstellen eines Explainity-Clips) und der Reflexionsorientierung (Dokumentation des Projektes in einem Portfolio) sind weitere Elemente des kompetenzorientierten Geographieunterrichts in diesem Unterrichtsprojekt abgedeckt.
Ablauf des Unterrichtsprojektes anhand des Beispiels Strategien und Maßnahmen zum Schutz der Erdatmosphäre in Politik und Gesellschaft (ca. 7 Doppelstunden)
Abb 1: Überblick über die einzelnen Phasen des Erklärfilm-Projektes
Das Ablaufschema (Abb. 1) gibt einen Überblick über die einzelnen Phasen des Erklärfilm-Projektes und kann auch verwendet werden, um den Schülern den organisatorischen Ablauf und den zeitlichen Rahmen des Projektes vorzustellen. Aus Gründen der Transparenz sollten gleich zu Beginn der Zeitrahmen, die Anforderungen (Länge der Erklärvideos und individuelles Portfolio) sowie die Bewertungskriterien und deren Gewichtung (s. Abb. 2) bekanntgegeben werden.
Im Folgenden wird nun der Ablauf der einzelnen Phasen des Unterrichtsprojekts näher beschrieben. Zudem werden Anregungen für die Portfolioarbeit gegeben.
Phase 1: Einführung und Internetrecherche
Dauer: ca. 2 Doppelstunden + Arbeitszeit daheim
Der Einstieg in das Unterrichtsprojekt kann entweder thematisch (z.B. einer Karikatur zum Klimaschutz oder Verursachern des anthropogenen Treibhauseffektes) und/oder methodisch (Zeigen eines Explainity-Clips) erfolgen. Ausgehend von der zentralen Fragestellung des Projektes, sollen sich die Schüler in Kleingruppen für ein Themenfeld (z.B. Möglichkeiten und Maßnahmen des Klimaschutzes der verschiedenen Akteure (Verbraucher, Unternehmen, Staat) oder Schutzmaßnahmen in den Bereichen wie Ernährung, Strom, Heizen, Auto und Flugzeug entscheiden.
Die verschiedenen Gruppen informieren sich zunächst mithilfe des Schulbuches und des Internets über ihr Thema. Ziel dieser Phase des Projektes ist es sich fachwissenschaftlich in das Thema einzuarbeiten, aber auch eine differenziertere, problemorientierte Fragestellung für das Erklärvideo zu entwickeln, um auch die höheren Anforderungsbereiche (zum Beispiel Lösungsansätze bewerten) einzuschließen.
In dieser Phase sollten die Schüler auch beginnen ihr Portfolio anzulegen, um die Entwicklung des Projektes zu dokumentieren. Hier können nun die Quellen, Notizen und erstellten Zeitpläne abgeheftet werden. Zudem empfiehlt es sich hier auch besprochene Ergebnisse der Gruppe nach jeder Sitzung zu notieren.
Phase 2: Erstellen des Drehbuchs und der Bilder
Dauer: ca. 2 Doppelstunden
Im nächsten Schritt entwickeln die Schüler in der Gruppe ein Drehbuch mit dem Sprechertext. Dies stellt den Kern der Projektphase dar, da die Schüler nun ihren Sachverhalt auf das Wesentliche reduzieren sowie verständlich und kurzweilig aufbereiten müssen. Zudem sollten sie sich dabei schon überlegen, welche Bilder sie zur Visualisierung einsetzen möchten. Idealerweise zeichnen die Schüler im Anschluss an den Sprechertext die Bilder selbst, aber es kann auch auf copyrightfreie Bilder aus Datenbanken (z.B. Microsoft Office Clipart) zurückgegriffen werden.
Das Portfolio wird auch in dieser Phase durch Notizen und Skizzen ergänzt. Zum Beispiel können erste Ideen für das Storyboard notiert sowie überarbeitete Sprechertexte und verwendete Bilder abgeheftet werden.
Phase 3: Drehen der Erklärvideos
Dauer: ca. 2 Doppelstunden
In Phase 3 drehen die Schüler nun das ca. 3-5 minütige Erklärvideo. Idealerweise sollte jede Gruppe die Möglichkeit haben, in einem separaten Klassenzimmer der Schule zu drehen. Erfahrungsgemäß reichen als Kameras die modernen Handys der Schüler aus.
Die filmische Umsetzung kann ganz unterschiedlich erfolgen. Der Sprechertext kann zusammen mit den durch Hände bewegten Bildern in Etappen oder in einem gesamten Durchgang aufgenommen werden. Dies bedarf ein wenig Übung, jedoch muss der fertige Filmclip nur noch zusammengefügt werden. Alternativ kann auch zunächst nur die Visualisierung aufgenommen und später die Tonspur separat hinzugefügt werden.
Im Portfolio sollte nun ein Rückblick verfasst werden, der die gesamte Projektarbeit wie Vorgehensweise, Teamarbeit, Aufwand und Ertrag zum fertiggestellten Filmclip, gewonnene Erkenntnisse etc. reflektiert und beurteilt.
Phase 4: Präsentation der Erklärvideos im Unterricht
Dauer: ca. 1 Doppelstunde
Zum Abschluss des Projektes stellt jede Gruppe ihren Erklärfilm den anderen Mitschülern vor. Die Filme sollten nicht nur kommentarlos hintereinander gezeigt werden. Die verantwortliche Gruppe gibt zunächst eine kurze Einführung. Im Anschluss daran erteilt die Klasse ein Feedback aufgrund von gemeinsam vorher festgelegten Kriterien.
Optional können die fertigen Explainity-Clips den Mitschülern zur Verfügung gestellt werden. Diejenigen Kollegen, die eine ausführlichere Ergebnissicherung wünschen, könnten den einzelnen Gruppen noch den Arbeitsauftrag geben, eine Art Quiz mit geschlossenen Aufgabentypen (z.B. richtig-falsch-Aussagen, Multiple-Choice) für die Mitschüler zu erstellen, die im Anschluss an die einzelnen Erklärfilme bearbeitet werden.
Bewertung der gedrehten Filmclips und der Portfolios
Abb. 2: Vorschlag für Bewertungskriterien und Gewichtung für die Projektnote
Idealerweise sollte der fachlichen Umsetzung ein hoher Stellenwert am Anteil der Projektnote eingeräumt werden. In der Oberstufe ist es sinnvoll, auch verstärkt das Kriterium der Problemorientierung, d.h. eine problemorientierte Fragestellung, in die Benotung miteinzubeziehen. Hierdurch wird ein oberstufengerechtes Anforderungsniveau erreicht. Gleichrangig sollte aber auch die filmische Umsetzung in die Projektendnote einfließen, da gerade der Explainity-Charakter die Hauptanforderung des Projektes darstellt: didaktische Reduktion von komplexen Zusammenhängen, verständliche und unterhaltsame Präsentation durch Bilder, die mit Händen verschoben werden.
Im Bewertungsvorschlag (s. Abbildung 2) nimmt das Portfolio einen Anteil von 20 Prozent ein. Hier sind neben den Kriterien der äußerlichen Form (Deckblatt, Rechtschreibung, abgeheftete Dokumente), auch die Vollständigkeit der Dokumentation des Projektverlaufes bzw. Entstehung des Erklärvideos zu berücksichtigen. Zudem sollte auch die Reflexionsfähigkeit der Schüler in Bezug auf die Herangehensweise und das Ergebnis des Projektes im Rahmen der Bewertung berücksichtigt werden.
Fazit
Dieser Artikel hat aufgezeigt, wie durch die Verwendung digitaler Medien und der damit verbundenen Methode - dem Drehen von kurzen Erklärfilmen – angestrebte fachliche Ziele des Geographieunterrichts motivierend erreicht werden können. Dass in diesem Unterrichtsbeispiel die Frage nach dem Mehrwert von digitalen Medien positiv beantwortet werden kann, liegt aufgrund der anspruchsvollen Merkmale der Explainity-Filme auf der Hand. Durch den Ansatz „Lernen durch Erklären“ im Stil von Explainity-Clips sind die Kleingruppen gezwungen, sich selbstständig das neue Fachwissen zu erarbeiten und dieses wiederum didaktisch reduziert in einer selbst erfundenen Storyline für die Mitschüler in einem Erklärfilm umzusetzen.
Darüber hinaus werden in diesem schülerzentrierten Unterrichtsprojekt wichtige Leitprinzipien des kompetenzorientierten Geographieunterrichts wie die Produkt- und Prozessorientierung sowie die Reflexion des Lernprozesses durch den Einsatz der Portfoliomethode umgesetzt.
Schülerbeispiel "Explainity-Clip - Emissionshandel"
"Spannungsverhältnis Ökonomie und Ökologie - der Emissionshandel als Erfolgsrezept!?", erstellt von Lena Felten, Annalena Saur, Marie-Luise Taschner
Quellenangaben:
Autorin: Kristina Planer
Bilder: Fotolia (Christian Schwier)
Grafik: Klett-Archiv (Hungreder)
Quellen:
HOFFMANN, T. et al ,
12 Elemente des kompetenzorientierten Unterrichts
http://lehrerfortbildung-bw.de/faecher/geographie/gym/fb1/12_element/ (abgerufen am 14.9.2014)
TREIBER, A., Die Welt erklärt mit Basteltechnik (Stuttgarter Zeitung) (25.11.12)
http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.die-videos-von-explainity-die-welt-erklaert-mit-basteltechnik.5fe0b498-798c-4a73-a9a5-b27bb123204c.html (abgerufen am 8.9.2014)
SCHLEICHER, Y., Digitale Medien und E-Learning motivierend einsetzen, S. 207-222 In: HAUBRICH, H. (Hrsg.) Geographie unterrichten lernen, 2. Auflage, 2010
www.klett.de/terrasse | 09.10.2014
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