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Mit Eltern in einem Boot sitzen

(sl) Der Umgang mit Erziehungsberechtigten will gelernt sein. Und zwar früh. Denn auch Nachwuchslehrkräfte stehen im regelmäßigen Austausch mit Eltern.

Wenn Lüder Ruschmeyer in seinen Seminaren „Öffentlichkeitsarbeit für Schulen“ auf Eltern zu sprechen kommt, blickt er nicht selten in erstaunte Gesichter. „Was haben Eltern mit Öffentlichkeitsarbeit zu tun?“, lautet die Frage, die dem Kölner Schulleiter dann immer wieder gestellt wird. Zumeist lässt er die Teilnehmenden „murmeln“. Kommen sie selbst auf die Antwort?

Zumeist gelingt es. Denn schon nach kurzer Phase des Überlegens erkennen die Anwesenden: Öffentlichkeitsarbeit ist Kommunikation und umgekehrt. Eltern spielen dabei, in der so genannten internen Kommunikation, eine bedeutsame Rolle. Nicht selten stellt ein einzelnes Gespräch zwischen Lehrkraft und Erziehungsberechtigten die Weichen für ein harmonisches Miteinander – oder eben nicht. Ruschmeyer erinnert dann gerne daran, dass Eltern nun einmal die größte Gruppe der Multiplikator:innen darstellen.

Gemeinsames Bildungs- und Erziehungsverständnis

Gespräche mit Eltern prägen nicht nur die Atmosphäre, sondern bilden auch die Grundlage für die Entwicklung eines gemeinsamen Bildungs- und Erziehungsverständnisses. Dieses wiederum stellt die Grundlage für das Aufwachsen der Schüler:innen, aber auch ihre Bildungserfolge dar. Immer mehr Schulen haben erkannt, dass ein solches Verständnis Bestandteil ihres Schulentwicklungsprozesses sein sollte.

„Muss“, korrigiert ein junger Lehrer, der nicht genannt werden möchte. Schließlich hatte er an jener Schule, an der er sein Referendariat absolviert hatte, lange mit Widerständen zu kämpfen, wenn er eben diese Zusammenhänge versuchte, zu erläutern. Ihm leuchten diese ein, zumal er an einer Ganztagsschule arbeitete. Gerade dort, aber auch in jeder Halbtagsschule sollte eine gemeinsame Ausrichtung mit Festlegung auf Werte, Ziele und Strategien existieren. Das stellten die Teilnehmenden des wissenschaftsgeleiteten Qualitätsdialogs zum Ganztag, den das Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation initiiert hatte, jüngst fest.

Anlässe für Gespräche schaffen

Doch wie gelingt Kommunikation und der Umgang mit Eltern? Wie lernen Lehrkräfte im Referendariat beides? Hört man sich in deren Kreisen um, stellt man fest, die angehenden Lehrkräfte sind auf Selbsterfahrung und den Austausch mit dem Kollegium angewiesen. Untereinander werde darüber gesprochen. Sagt Undine Tschierschky, auch im Kollegium sei es immer wieder Thema. Im Studium und ihrer Ausbildung dagegen sei es höchstens ein Randthema. Das allerdings werde im Lübecker Netzwerk der Sonderpädagog:innen, dem sie angehört, ein Stück weit aufgefangen.

Die 27-Jährige kam im Sommer vergangenen Jahres als Referendarin an die Grundschule Roter Hahn im Lübecker Stadtteil Kücknitz. Hier sind Eltern willkommen. Auch jene, die der Einladung zum Elternsprechtag eher nicht folgen. Schulleiterin Nicole Völschow gibt stets die Devise aus, Anlässe zum Gespräch zu suchen und zu schaffen. Und nicht nur, wenn es brennt. „Einfach mal plaudern. Das öffnet Türen“, weiß sie. Anlässe gibt es genug, beispielsweise, wenn Erziehungsberechtigte ihr Kind von der Schule abholen. Türöffner sind dann häufig Fragen wie: „Wie läuft es bei Euch gerade?“ Völschow ist überzeugt, dass viele Mütter und Väter selbst schlechte Erfahrungen mit der Schule gesammelt hätten. „Darum“, so sagt sie, „müssen wir dazu beitragen, dass sie die Bedenken, Sorgen und Ängste verlieren.“

Mehr als ein Austausch über Noten

Sie und „ihre“ Referendar:innen wissen, dass Elternarbeit deutlich mehr als der Austausch über Noten, Versetzungen oder Fehlverhalten sein sollte. So wie an der Schillerschule in Frankfurt. An diesem Gymnasium mit rund 1.250 Lernenden werden die Eltern beispielsweise auch in die Gestaltung der Mensa und des Essens einbezogen. Dies geschieht an Elternabenden und erhöht die Akzeptanz.

Undine Tschierschky konzentriert sich als „junge“ künftige Lehrkraft eher (noch) auf klassische Elternarbeit. Sie führt Einzelgespräche, trifft die Erziehungsberechtigten, wenn diese abends zum Austausch der wichtigsten Informationen und zur Beantwortung sie drängender Fragen zusammenkommen. Sie hat für sich festgelegt: „Ich möchte mit den Eltern meiner Klasse in einem Boot sitzen.“

Gezielte Vorbereitung

Auf die Gespräche bereitet sie sich gezielt vor. Notiert sich, worauf sie zu sprechen kommen möchte, legt konkrete Formulierungen im Vorhinein fest. Sie tut das, „damit ich sicherer bin“. Dabei kann es durchaus vorbeikommen, dass sie gegenüber anderen Lehrkräften ihre Wortwahl und Sätze „testet“ und freut sich darüber, wenn sie einen Tipp bekommt, wie sie es viel-leicht noch optimaler ausdrücken kann.

Sie ist sich auch der Bedeutung ihrer Körperhaltung bewusst. Aufrecht stehen und sitzen. „Ehrlich gesagt, ist das nicht anders als wenn ich meiner Klasse gegenübertrete“, meint sie. Auch da sei es entscheidend, in der Mitte zu stehen, eine klare Sprache zu haben, Blickkontakt zu suchen. Einfach souverän sein. „Das, eine gezielte Vorbereitung und das Wissen, dass die Eltern im Zweifelsfall genauso unsicher beim Erstkontakt sind, haben mir bei meinen ersten Elterngesprächen sehr geholfen“, erinnert sich Undine Tschierschky.

Kompakt:
In der Empfehlung „Bildung und Erziehung als gemeinsame Aufgabe von Eltern und Schule" (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 11.10.2018) spricht sich die Kultusministerkonferenz für eine von gegenseitigem Respekt getragene Kooperation von Eltern und Schule aus. Orientiert an den Herausforderungen der Zeit, zeigt die Empfehlung Perspektiven für die weitere Entwicklung auf. Kernanliegen ist es, das gemeinsame Verständnis der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zu beschreiben sowie Wege aufzuzeigen, wie in vereintem Bemühen gemeinsame Ziele erreicht werden können. Dabei soll auch den Ansprüchen der Bildungsgerechtigkeit, einer breiten Partizipation, der Transparenz, der Qualität und der Wirksamkeit Rechnung getragen werden.