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Künstliche Intelligenz und ihr Potenzial für inklusiven Unterricht

In der heutigen Bildungslandschaft gewinnt die Künstliche Intelligenz (KI) zunehmend an Bedeutung. Dieser Beitrag beleuchtet, wie die Integration von KI-Kompetenzen im Bildungswesen zur Förderung von Inklusion beitragen kann und warum es wichtig ist, digitale Spaltungen frühzeitig zu adressieren.

Die digitale Spaltung und Künstliche Intelligenz

Während die Chancen von KI mehr und mehr im Unterricht erkannt werden, zeigt sich auch eine wachsende digitale Spaltung, insbesondere zwischen verschiedenen sozialen Gruppen und Altersklassen.

Was ist die digitale Spaltung? 

Die digitale Spaltung beschreibt die Ungleichheit im Zugang und in der Nutzung digitaler Technologien. Sie betrifft besonders ältere Menschen und Personen mit geringerer Bildung, wie aktuelle Studien zeigen (Eickelmann et al. 2019, Bosse & Sponholz 2022, u.a.). Diese Spaltung manifestiert sich nicht nur im physischen Zugang zu Technologie, sondern auch in den Fähigkeiten, diese Technologien kompetent und reflektiert zu nutzen.

Die digitale Spaltung ist ein bedeutendes gesellschaftliches Problem, das sich in mehreren Dimensionen zeigt und besonders den Bildungssektor betrifft: 

  1. Zugang zur Technologie: Obwohl jüngere Generationen oft intuitiv Zugang zu digitalen Geräten haben, zeigt sich auch innerhalb dieser Gruppe eine Ungleichheit. Schüler:innen aus benachteiligten Familien haben oft keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu Computern, Tablets oder schnellem Internet zu Hause. Diese Ungleichheiten führen dazu, dass bestimmte Schüler:innengruppen von den digitalen Lernangeboten ausgeschlossen sind und ihre Bildungschancen erheblich beeinträchtigt werden. Insbesondere KI-Anwendungen sind oft kostenpflichtig und schließen damit einen Teil unserer Gesellschaft schon aus. 
  2. Kompetenz in der Nutzung: Medienkomptenzen umfassen die Fähigkeiten, digitale Technologien nicht nur zu nutzen, sondern diese auch kritisch und reflektiert zu verwenden. Innerhalb der Schüler:innenschaft bestehen hier erhebliche Unterschiede. Schülerinnen aus benachteiligten Haushalten verfügen häufig über geringere Medienkompetenzen, was sich negativ auf ihre Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten auswirkt (Eickelmann et al. 2019). Die Förderung dieser Kompetenzen in der Schule ist daher von zentraler Bedeutung, um allen Schüler:innen gleiche Chancen, auch im Umgang mit KI, zu bieten. 
  3. Bildung und Inklusion: Die digitale Spaltung hat direkte Auswirkungen auf die Bildungsgerechtigkeit auf dem gesamten Bildungsweg und die gesellschaftliche Teilhabe. Schulen müssen digitale Inklusion aktiv fördern, indem sie sicherstellen, dass alle Schüler:innen, unabhängig von ihrem sozialen Hintergrund, Zugang zu digitalen Bildungsressourcen und die notwendige Unterstützung insbesondere auch im Umgang mit KI erhalten, um diese effektiv zu nutzen. Dies ist unerlässlich, um die Chancenungleichheit zu verringern und eine inklusive Bildungslandschaft zu schaffen.

Für Lehrkräfte ergeben sich aus der digitalen Spaltung mehrere Herausforderungen: 

  • Kompetenzvermittlung: Lehrkräfte müssen selbst über ausreichend Digitalkompetenz verfügen, um diese an ihre Schüler:innen weiterzugeben. Dies erfordert kontinuierliche Fortbildung und die Integration digitaler Medien und KI-Anwendungen in den Unterricht. 
  • Inklusive Bildung: Um die digitale Spaltung zu überwinden, müssen Bildungsangebote inklusiv gestaltet werden. Dies bedeutet, dass individuelle Bedürfnisse der Schüler:innen berücksichtigt und entsprechende Unterstützungsangebote geschaffen werden. 
  • Kritischer Umgang mit KI: KI-Systeme bieten viele Chancen zur Optimierung von Lernprozessen, bergen jedoch auch Risiken. Lehrkräfte müssen Schüler:innen befähigen, KI kritisch zu hinterfragen und verantwortungsvoll zu nutzen.

Im Bildungssektor ist es daher von entscheidender Bedeutung, dass Lehrkräfte und Schüler:innen gleichermaßen befähigt werden, die Potenziale und Risiken von Künstlicher Intelligenz (KI) zu verstehen und zu nutzen. Um der digitalen Spaltung entgegenzuwirken, ist es unerlässlich, KI-Kompetenz von Anfang an als integralen Bestandteil der schulischen Bildung zu etablieren. Die digitale Spaltung stellt eine erhebliche Herausforderung für den Bildungssektor dar. Durch gezielte Maßnahmen können Lehrkräfte dazu beitragen, diese Spaltung zu verringern und digitale Inklusion zu fördern. Nur so kann sichergestellt werden, dass alle Schüler:innen gleichermaßen von den Vorteilen der digitalen Transformation profitieren und auf eine zunehmend digitalisierte Welt vorbereitet werden.

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KI und Inklusion im Unterricht 

Die Integration von KI in den Unterricht bietet immense Chancen, Bildung inklusiver und effektiver zu gestalten. Lehrkräfte sollten die Potenziale von KI erkennen und gezielt einsetzen, um allen Schüler:innen gleiche Bildungschancen zu ermöglichen.

Durch den Einsatz personalisierter und adaptiver Lernumgebungen sowie spezialisierter Unterstützungsangebote können individuelle Lernbedürfnisse besser adressiert und Lernbarrieren abgebaut werden.

Potenziale von KI im Unterricht 

  1. Personalisiertes Lernen: KI kann personalisierte Lernpfade für Schüler:innen erstellen, die ihre besonderen Interessen berücksichtigen und auf ihre Stärken und Schwächen eingehen. Durch kontinuierliche Analyse der Lernfortschritte wird KI zukünftig in der Lage sein, den Lerngegenstand zu differenzieren und maßgeschneiderte Übungen bereitstellen. Dies fördert eine individualisierte Lernumgebung, in der jeder Schüler:in in seinem eigenen Tempo lernen kann. 
  2. Adaptive Lernumgebungen: Adaptive Lernumgebungen passen sich in Echtzeit an die Bedürfnisse der Schüler:innen an. Beispielsweise können KI-Systeme den Schwierigkeitsgrad von Aufgaben anpassen oder alternative Erklärungen anbieten, wenn ein Konzept nicht verstanden wird. Dies hilft besonders Schüler:innen mit Lernschwierigkeiten, da sie gezielt unterstützt werden. Leider sind diese Programme in Deutschland noch kaum verbreitet (ein Beispiel ist die Mathematiklernplattform bettermarks).
  3. Individuelle Unterstützung für Schüler:innen: KI-gestützte Tools können spezielle Unterstützung bieten, wie z.B. automatisierte Übersetzungen, Sprachassistenten oder Text-to-Speech-Funktionen. Dies ermöglicht es Schüler:innen mit Behinderungen, besser am Unterricht teilzunehmen und ihre Lernbarrieren zu überwinden.

Beispiele für den Einsatz von KI im Unterricht 

  1. Chatbots und Sprachassistenten: Lehrkräfte können Chatbots wie ChatGPT verwenden. So können Schüler:innenfragen auch außerhalb der Unterrichtszeiten beantwortet werden. Sprachmodelle können auch dazu beitragen, Sprachbarrieren zu überwinden, indem sie in verschiedenen Sprachen kommunizieren können. 
  2. Intelligente Tutoring-Systeme: Diese Systeme bieten personalisierte Hilfestellungen, um Schüler:innen beim Lernen zu unterstützen. 
  3. Automatisierte Unterrichtsplanung: KI-Tools können Lehrkräften bei der inklusiven Unterrichtsplanung helfen, indem sie Vorschläge für Unterrichtsaktivitäten und Materialien und den individuellen Bedarfen der Schüler:innen machen. Dies spart Zeit und ermöglicht eine effektivere Unterrichtsgestaltung.
  4. Analyse von Schülerdaten: KI kann große Mengen an Schüler:innendaten analysieren, um Muster und Trends zu identifizieren. Lehrkräfte können diese Informationen nutzen, um ihre Unterrichtsmethoden zu verbessern und gezielte Unterstützungsmaßnahmen für einzelne Schüler:innen zu entwickeln. Auch diese Systeme sind in Deutschland bisher kaum vorhanden.

Das Fünf-Ebenen-Modell 

Das Fünf-Ebenen-Modell der Diklusion beschreibt, wie digitale Medien zur Förderung inklusiver Bildungspraktiken eingesetzt werden können.

Was ist Diklusion?

Diklusion ist ein Begriff, der die Integration von digitalen Medien und Inklusion in der Schule beschreibt. Diklusion verbindet die Aspekte der Nutzung digitaler Technologien mit inklusiven Bildungspraktiken. Ziel ist es, durch den gezielten Einsatz digitaler Medien eine Lernumgebung zu schaffen, die die individuellen Bedarfe aller Schüler:innen berücksichtigt und ihnen gleichermaßen Zugang zu Bildung ermöglicht. Durch Diklusion können Barrieren abgebaut werden, die den Zugang zu Bildung behindern. Es schafft eine inklusivere Lernumgebung, in der jede:r Schüler:in die gleichen Chancen hat, am Unterricht teilzunehmen und erfolgreich zu lernen (Schulz 2018, 2021a, b).

Anhand der fünf Ebenen des Modells für diklusiven Unterricht sollen die Potenziale von KI für inklusive Bildung anhand exemplarischer Anwendungsbeispiele beschrieben werden:

Fünf-Ebenen-Modell für einen diklusiven Unterricht

Abb. 1: Fünf-Ebenen-Modell für einen diklusiven Unterricht (CC-BY inklusiv.digital, Schulz, 2018, 2021a,b)

Lernen durch Medien - Assistive Technologien 

Assistive Technologien sind vielseitige Hilfsmittel, die darauf abzielen, die Teilhabe von Menschen mit unterschiedlichen Voraussetzungen im Alltag zu unterstützen. Diese Technologien berücksichtigen die Vielfalt der Lernenden und bieten spezifische Lösungen, um Barrieren abzubauen und individuelle Stärken zu fördern.

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Bezogen auf KI:

Zum Beispiel können Spracherkennungssoftware und Text-to-Speech-Tools genutzt werden, um Schüler:innen mit Lese- und Schreibschwierigkeiten zu unterstützen. Oder es werden Optionen der Übersetzung oder Erklärung in der Herkunftssprache ermöglicht. Zum Beispiel kann mithilfe von KI ein Text zum Klimawandel auf Arabisch übersetzt werden. Möglich wären weitere Prompts zur Erklärung der einzelnen Wörter oder Absätze in der gewählten Herkunftssprache.

Hierzu kann beispielsweise der „hilfreiche Assistent“ von schulKI eingesetzt werden.

schulKI ist eine datenschutzkonforme KI-Plattform speziell für den Einsatz in und das sichere Ausprobieren verschiedener KI-Anwendungen mit der Klasse.

Mehr zu schulKI erfahren Sie hier.

Lernen mit Medien - Medien als Lernmittel 

Digitale Medien als Lernmittel bieten vielfältige Möglichkeiten zur Unterstützung individueller Lernprozesse.

Roboter KI

Bezogen auf KI:

KI als individueller Lernbegleiter kann personalisierte Lernwege anbieten, die sich an den Fortschritten und Bedürfnissen der Schülerinnen orientieren. Durch adaptive Lernplattformen können Schülerinnen in ihrem eigenen Tempo lernen und erhalten sofortiges Feedback, das sie motiviert und unterstützt. Darüber hinaus ermöglicht KI den Zugang zu maßgeschneiderten Lernressourcen, wie z.B. Chat-GPT als Lerntutor. Als Beispiel kann eine angepasste ChatGPT-Variante von der Plattform SchulKI als Lernbegleiter:in eingesetzt, um Tipps zur Verbesserung eines selbstgeschriebenen Textes zu erhalten.

Lernen mit Medien – Medien als Werkzeuge in der Lerngruppe

Digitale Werkzeuge fördern den Austausch und die Zusammenarbeit in Lerngruppen. Das kooperative Lernen ist ein wichtiger Bestandteil inklusiven Unterrichts.

Bezogen auf KI:
Beispielsweise dürfen die Schüler:innen in einer Kleingruppenarbeit im Rahmen eines Projekts einen KI-Assistenten nutzen. Der Chat-Assistent bietet verschiedene Zugangsoptionen. Damit kann die Teilhabe aller Schüler:innen gewährleistet werden. Alle können damit zum Gruppenergebnis beitragen.

Unterschiedliche Zugänge: 

  • Spracherkennung: Schüler:innen, die Schwierigkeiten beim Schreiben haben, können ihre Beiträge mündlich einbringen. Der Chat-Assistent wandelt ihre Sprache in Text um und fügt diesen in den Gruppenchat ein. 
  • Text-to-Speech: Schüler:innen mit Leseschwierigkeiten nutzen die Text-to-Speech-Funktion, um die Antworten des Assistenten vorgelesen zu bekommen. 
  • Übersetzung: Schüler:innen, die eine andere Herkunftssprache sprechen, können die Übersetzungsfunktion nutzen, um die Antworten in ihrer bevorzugten Sprache zu lesen und ihre Beiträge in die Gruppensprache zu übersetzen.

Lehren mit Medien – Unterstützung der Lehrenden 

Die vierte Ebene des Fünf-Ebenen-Modells beschreibt die organisatorische Integration digitaler Medien in den Schulalltag. Diese Ebene fokussiert sich darauf, wie digitale Werkzeuge Lehrkräfte bei der Planung und Durchführung inklusiven Unterrichts unterstützen können, um eine effizientere und inklusivere Lernumgebung zu schaffen.

Bezogen auf KI:
KI kann Lehrkräften bei der Unterrichtsplanung und -durchführung helfen. Beispielsweise kann eine Lehrerin Lesetexte nach spezifischen Interessen der Schüler:innen erstellen: Schiffe, Pokemon, Pferde, Seehunde, Handball, Leichtathletik, Feuerwehr, ….

Lernen über Medien – Einsatz digitaler Medien im Alltag 

Die fünfte Ebene bezieht sich auf die gesellschaftliche und umweltbezogene Dimension der inklusiven Medienbildung. Diese Ebene betont die Notwendigkeit, digitale Medien so zu gestalten und zu nutzen, dass sie zur sozialen Gerechtigkeit und ökologischen Nachhaltigkeit beitragen. 

Bezogen auf KI:
Kritische Reflexion und der bewusste Umgang mit KI sind Teil des Unterrichts, damit Schüler:innen die Funktionsweise und die ethischen Implikationen von KI verstehen. Dies kann auch die KI-bezogene digitale Spaltung der Gesellschaft verringern.

Abschließend… 

Die Integration von KI in den Unterricht bietet immense Chancen für eine inklusivere und effektivere Bildung. Durch personalisierte und adaptive Lernumgebungen sowie spezialisierte Unterstützungsangebote können individuelle Lernbedürfnisse besser adressiert und Lernbarrieren abgebaut werden. Um die digitale Spaltung zu überwinden und allen Schüler:innen gute Bildungschancen zu ermöglichen, ist es entscheidend, KI-Kompetenzen von Anfang an in die schulische Bildung zu integrieren und Lehrkräfte entsprechend zu stärken.

Dr. Lea Schulz

Literatur 
Bosse, I. & Sponholz, J. (2022). Digitale Teilhabe im Förderschwerpunkt Körperliche und motorische Entwicklung. Ermittlung von Umweltfaktoren für einen digital gepräg- ten Unterricht entlang der ICF. In J. Betz & J-R. Schluchter (Hrsg.), Schulische Medienbildung und Digitalisierung im Kontext von Behinderung und Benachteiligung. Kohlhammer. Eickelmann, B., Bos, W., & Labusch, A. (2019). Die Studie ICILs 2018 im Überblick. Zentrale Ergebnisse und mögliche Entwicklungsperspektiven. In B. Eickelmann, W. Bos, J. Gerick, F. Goldhammer, H. Schaumburg, K. Schwippert, M. Senkbeil, & J. Vahrenhold (Hrsg.), ICILS 2018 #Deutschland. Computer- und informationsbezogene Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern im zweiten internationalen Vergleich und Kompetenzen im Bereich Computational Thinking. (S. 7–31). Waxmann. http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0111-pedocs-183196 Schulz, L. (2018). Digitale Medien im Bereich Inklusion. In B. Lütje-Klose, T. Riecke-Baulecke, & R. Werning (Hrsg.), Basiswissen Lehrerbildung: Inklusion in Schule und Unterricht, Grundlagen in der Sonderpädagogik (S. 344–367). Klett/Kallmeyer. Schulz, L. (2021a). Diklusive Schulentwicklung: Erfahrungen und Erkenntnisse der digital-inklusiven Multiplikatorinnen- und Multiplikatorenausbildung in Schleswig-Holstein. MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung, 41(Inklusiv-mediale Bildung), 32–54. https://doi.org/10.21240/mpaed/41/2021.02.03.X Schulz, L. (2021b). Kultur der Diklusivität: Auf dem Weg zu einer digital-inklusiven Schulgemeinschaft. schule verantworten | führungskultur_innovation_autonomie, 2, 64–71. https://doi.org/10.53349/sv.2021.i2.a104