Klett-Themendienst Nr. 78 (10/2017)

Wie leiten Sie Ihre Schule? Wo lauern Stolpersteine? Was gelingt Ihnen? Für eine Studie ließen sich zehn Schulleitungen von Ganztagsschulen in die Karten schauen. Sie nahmen an einer wissenschaftlichen Befragung teil, deren Ziel darin lag, zu analysieren, was guter pädagogischer Ganztag ist und wie er organisatorisch gelingt.

Schulleitungen sind, so die Analyse der Schulforscher Falk Radisch, Klaus Klemm und Klaus-Jürgen Tillmann, zuallererst bei der konzeptionellen Arbeit und der grundlegenden Steuerung des Ganztags gefordert. Erfahrene Schulleitungen lassen sich dabei unterstützen, etwa durch eine Steuergruppe oder einen Ganztagskoordinator. Sie zeigen sich nicht nur in der Lage, sinnvoll zu delegieren, sondern behalten den Überblick, können die unterschiedlichen Zuständigkeiten und Kompetenzen klar benennen und zuteilen. Für die alltägliche Organisation des Ganztagsbetriebs (z. B. für Verträge mit Honorarkräften, Einwerbung neuer Kursangebote, Verteilung von Räumen und Zeiten, Ansprechpartner für Anbieter bzw. Träger der Angebote), bedarf es jedenfalls, so ist es in der Publikation zur Studie nachzulesen, einer klaren Zuständigkeit.

Wer ist wofür zuständig?

Konsequent sollte deshalb danach unterschieden werden „wer für Konzept und übergreifende Steuerung zuständig ist (Schulleitung) und wer sich mit der alltäglichen Organisation befasst. Letzteres kann von Ganztagskoordinatoren (z. B. für diese Aufgabe entlastete Lehrkräften oder angemessen bezahlte Sozialpädagogen) verantwortet werden, die damit zum erweiterten Schulleitungs-Team gehören.“ Vermieden werden muss auf jeden Fall, „dass die kontinuierliche Organisationsarbeit von den Betroffenen als unentgeltliche Zusatzbelastung erlebt wird.“ Gleichzeitig sei es „für die Qualität des Ganztags von großer Bedeutung, dass diese organisatorische Alltagsarbeit kompetent, zuverlässig, für alle nachvollziehbar erledigt und von der Schulleitung konsequent wertgeschätzt wird“ (Quelle s. Kasten Kompakt).

Kooperationszeiten festlegen

Guter Ganztag lässt Schule wie ein Gesamtkunstwerk von Bildung erscheinen. Im Idealfall entwickeln Schulleitung, das Kollegium, die Eltern und die weiteren beteiligten Professionen eine gemeinsame pädagogische Haltung zum Kind, die sich in allen Elementen des Ganztags abzeichnet, also in Unterricht, Arbeitszeiten, Lernzeiten, Spiel- und Freizeiten, Pausen- und Mittagszeiten. Die Schulleitung steht für diese Haltung und hält sie durch geeignete Impulse lebendig. Schulleitungen müssen dabei jedoch „nicht zwingend zu den innovativen Kräften gehören“, schreibt die Erziehungswissenschaftlerin Katrin Höhmann im „Handbuch Gute Schule“ (Klett/Kallmeyer 2016). Sie brauchen aber „die Kompetenz und das Gespür, wer zu den innovativen Kräften gehört und wie Prozesse sinnvoll gestaltet werden können.“

Aus den Interviews lassen sich zentrale Aufgaben und Qualitätsmerkmale guter Steuerung für Ganztagsschulen ableiten. Dazu gehört, dass die Schulleitung sich übergeordnet zuständig sieht für die Gestaltung und Entwicklung des Ganztags und diese Verantwortung nicht, wie häufig zu beobachten, an einen freien Träger der Jugendhilfe abgibt. Insgesamt zeichnet die Studie hier ein Bild engagierter Schulleitungen, die den Ganztag wohl überlegt steuern und denen es gelungen ist, alle Beteiligten auf dem Weg zum Ganztag einzubinden. Fest verankerte Kooperationszeiten auf unterschiedlichen Ebenen und unter allen beteiligten Professionen werden dabei als unverzichtbar beschrieben.

Hausaufgaben für Bildungspolitik

Bei allem wünschenswerten Engagement wird aber auch deutlich, welche Rahmenbedingungen Schulleitungen benötigen, um dem sowohl politisch als auch von Eltern gewünschtem Ausbau des Ganztags eine hohe Qualität zu garantieren. Es ist nicht zu übersehen, dass gesamtgesellschaftlich die Fortentwicklung von solchen Ganztagsschulen, die sich aufgrund ihrer veränderten Zeit- und Organisationsstruktur als Lern- und Lebensraum sowie als Ort von Partizipation und Demokratie auszeichnen, an Bedeutung gewinnt. Falk Radisch, Klaus Klemm und Klaus-Jürgen Tillmann identifizierten vor diesem Hintergrund u.a. folgende „Hausaufgaben“ für  Schul- und Bildungspolitiker:

•    Schulleitungen benötigen eine Mindestzahl von Stundenentlastungen für Schulentwicklung und Schulmanagement unter Berücksichtigung ganztagsschulspezifischer Aufgaben.
•    Schulleitungen brauchen eine Erweiterung ihrer Entscheidungsbefugnisse; insbesondere für Personalentscheidungen (für alle Personalgruppen) sowie für die  selbstständige Bewirtschaftung von Personal- und Sachressourcen.
•    Schulleitungen brauchen die Möglichkeit, sogenanntes weiteres pädagogisches Personal in die Schulleitung zu holen.
•    In allen Schulleiterqualifikationen sollten ganztagsschulspezifische Aspekte einfließen.

Inge Michels*, Klett-Themendienst

Kompakt
Vier Stiftungen (Bertelsmann Stiftung, Robert Bosch Stiftung, Stiftung Mercator, Vodafone Stiftung Deutschland) haben die Interviewstudie in Auftrage gegeben. Befragt wurden die Schulleitungen von zehn Ganztagsschulen, die für ihre Qualität mit dem Deutschen Schulpreis oder dem Jakob Muth-Preis ausgezeichnet wurden. Deren Erfahrungen wurden zu Erkenntnissen über Qualität und Qualitätsmanagement an Ganztagsschulen verdichtet. Die Essenz kann in der Publikation „Mehr Schule wagen – Empfehlungen für guten Ganztag“ (Download auf den Internetseiten der Stiftungen) nachgelesen werden.

*Die Autorin hat an der Publikationen der Studie mitgearbeitet