Klett-Themendienst Nr. 86 (02/2019)

Wer in Großbritannien studieren will, kann seine Englischkenntnisse mit verschiedenen Sprachtests nachweisen.

 „Die deutschen Studierenden, die bei uns an der Uni mit dem Studium anfangen, können meist sehr gut Englisch. Wir würden uns über mehr Interessenten aus Deutschland freuen“, sagt Kai Hardekopf. Er hat in England sein Wirtschaftsstudium absolviert und arbeitet jetzt an der University of Surrey in dem rund 70 000 Einwohner zählenden Guildford im Südosten Englands als Student Recruitment Graduate Advisor. Eine seiner Aufgaben: Junge Leute im Ausland von einem Studium an seiner Universität zu überzeugen. Gerade war Hardekopf auf Werbetour auf britischen Hochschulmessen in Düsseldorf, Hannover, Hamburg und Berlin und musste häufiger Fragen zum erwünschten Sprachniveau beantworten. „Wer im Abitur eine Eins oder eine Zwei in Englisch hat, der braucht keinen Sprachtest mehr bei uns zu machen. Ansonsten sollte man im IELTS-Test an unserer Uni 6,5 Punkte erreichen. Einige Fächer wie englische Literatur verlangen 7 Punkte in diesem Test“, sagt Hardekopf.

Hinter der Abkürzung IELTS verbirgt sich International English Language Testing System. IELTS ist nach Angaben des British Council – diese Kultureinrichtung arbeitet in mehr als 100 Ländern und ist mit dem Goethe-Institut vergleichbar – mit jährlich drei Millionen abgelegten Prüfungen der weltweit beliebteste Englischtest. Er wird von allen britischen Universitäten und Hochschulen und insgesamt von mehr als 10 000 Universitäten und Bildungseinrichtungen in über 140 Ländern akzeptiert. Den Test gibt es in zwei Versionen, für Studienzwecke und akademische Berufe oder für die berufliche Ausbildung, Praktika und Auswanderungszwecke. Er dauert knapp drei Stunden und besteht aus der Überprüfung von Hör- und Leseverständnis sowie schriftlichem und mündlichem Ausdrucksvermögen.

Laut Martin Spieß, Projektmanager beim British Council in Berlin, erkennen die meisten britischen Universitäten auch den in Deutschland weit verbreiteten TOEFL (Test of English as a Foreign Language) oder das Cambridge-Zertifikat als Sprachnachweis an, wenn er nicht älter als zwei Jahre ist. „Das Besondere am IELTS ist der mündliche Anteil. Man unterhält sich 15 Minuten individuell mit einem Prüfer und nicht mit einem Computer“, sagt Spieß. Das British Council ist nach seinen Angaben in Deutschland der einzige Anbieter dieses Testes, der in 17 Städten zu bestimmten Terminen stattfindet. Die meisten Teilnehmer schaffen die angestrebte Punktezahl, Deutschland ist bei den Leistungen unter den Top-5-Ländern. „Allerdings sind die Leistungen beim schriftlichen Ausdruck bei Nicht-Muttersprachlern nicht ganz so gut als beim Lesen, Hören und Sprechen. Da geht es um Kommasetzung, um besonders schwere grammatische Konstruktionen, aber auch darum, wie man bei einer Stellungnahme seine Argumente strukturiert oder wie man einen Brief schreibt“, sagt Spieß und fügt hinzu: „Mit unseren kostenlosen online-Materialien kann man sich darauf gezielt vorbereiten und potenzielle Fehler ausbügeln.“
Maximal neun Punkte können beim IELTS erzielt werden. Die Deutsch-Muttersprachler erreichten im Jahr 2017 beim Test für Akademiker beim Hören (7,8), Lesen (7,55), Sprechen (7,39) und Schreiben (6,62) im internationalen Vergleich Spitzenwerte, die Durchschnittsnote lag bei 7,41. „Deutschen fehlt allerdings beim Sprechen manchmal das Selbstbewusstsein. Skandinavier und Niederländer schneiden im mündlichen Teil besser ab, weil man dort viel mehr englischsprachige Filme sieht und die Sprachfähigkeit in den Schulen stärker gefördert wird“, sagt British Council-Mitarbeiter Arek Jaworski und ergänzt: „Dafür haben Skandinavier und Niederländer eher Probleme mit dem Schreiben. In deutschen Schulen wird mehr Wert auf den schriftlichen Ausdruck gelegt.“

Wie sich das Interesse an Englisch-Sprachkursen in der Zukunft entwickeln wird, hängt auch von den immer noch nicht geklärten Bedingungen des Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union ab. „Wer in diesem Jahr mit einem Studium in Großbritannien beginnt, kann in jedem Fall unter den derzeit gültigen Bedingungen anfangen und auch sein Studium zu Ende führen“, sagt Spieß. Das bedeutet, dass die Studiengebühren für sie als EU-Bürger nicht höher sind als für Einheimische. 9000 Pfund pro Studienjahr ist für sie der Höchstbetrag an einer britischen Uni, manche Universitäten verlangen auch „nur“ 3000 Pfund, in Schottland zahlt man für das Bachelor-Studium keine Studiengebühren. Wie das im kommenden Jahr für Studienanfänger aus Deutschland aussieht, vermag Spieß derzeit nicht zu sagen. Er betont, dass neben einem gutem Sprachtest und der Abiturnote vor allem das Motivationsschreiben der Bewerber zählt. Allgemein haben Studierende aus Deutschland einen guten Ruf an britischen Unis – sie gelten als selbstständig, gut durch die Schule ausgebildet und pflegeleicht.
Derzeit absolvieren rund 18 000 Deutsche in Großbritannien den Großteil ihrer Studienzeit. Sie entscheiden sich vor allem für wirtschaftswissenschaftliche und ingenieurswissenschaftliche Fächer, gefolgt von den Geisteswissenschaften. Dabei spielen das praxisnahe Studium und die kleinen Lerngruppen eine große Rolle.

Autor: Joachim Göres

Kompakt
Alle britischen Hochschulen akzeptieren als Nachweis der Englischkenntnisse den Test IELTS. In den meisten Fächern reicht die Note 6,5 aus. Die Durchschnittsnote der deutschsprachigen Teilnehmer liegt mit 7,41 deutlich darüber. Die meisten Universitäten erkennen auch TOEFL und das Cambridge-Zertifikat an. Für einen Studienplatz sind zudem die Abiturnote und ein Motivationsschreiben wichtig. Für Deutsche, die in diesem Jahr mit dem Studium in Großbritannien beginnen, ändert sich durch den Brexit nichts.