Klett-Themendienst Nr. 86 (02/2019)

Der Medienkompetenzrahmen NRW ist neue Richtschnur für die Unterrichtsentwicklung. Wie sich schöne Unterrichtsreihen mit seiner Hilfe verwirklichen lassen, zeigen die Beispiele zweier weiterführenden Schulen im bevölkerungsreichsten Bundesland. Wir sprachen mit zwei Medienberatern aus NRW über ihre Erfahrungen.

Nicolas Aisch ist Lehrer für Deutsch, Mathematik und Sport an der Sekundarschule Warburg mit Teilstandort Borgentreich sowie Medienberater des Kompetenzteams Kreis Höxter

Was bedeutet der Medienkompetenzrahmen NRW für Sie als Lehrer?

Der Medienkompetenzrahmen (MKR) NRW ist eine Richtschnur für unsere Schul- und Unterrichtsentwicklung. Die Einordnung der Teilkompetenzen ist einfacher geworden. Er bietet konkret Orientierung bei der Erstellung unseres schulischen Medienkonzeptes. Anhand des Kompetenzrahmens können wir feststellen, ob und wie weit die geforderten Medienkompetenzen in den Lehrplänen der unterschiedlichen Fächer verankert sind, die an unserer Schule unterrichtet werden. Darüber hinaus können wir erkennen, welche Fächer bei uns schon einen Beitrag dazu leisten, die geforderten Teilkompetenzen zu entwickeln.

Was könnte dazu beitragen, die Arbeit mit dem Medienkompetenzrahmen zu erleichtern?

Bei der Entwicklung unseres schulischen Medienkonzepts hat jede Fachschaft die Aufgabe zu überprüfen, wo sie bereits Teilkompetenzen vermittelt, die im MKR beschrieben werden. Geholfen hat uns bei der Bestandsaufnahme der Medienkompetenzen an unserer Schule der Einsatz eines Padlets. Das Padlet ist ein kostenloses Tool, mit dem man digitale Pinnwände gemeinschaftlich mit Kolleginnen und Kollegen füllen kann. Mithilfe des Padlets können alle Fachschaften gleichzeitig oder getrennt am schulischen Medienkonzept arbeiten.
Die Fachschaften können sich in unterschiedliche Räume zurückziehen und, wenn sie nach einer Stunde wieder zusammenkommen, auf der digitalen Pinnwand nachlesen, was die anderen Fachschaften erarbeitet haben. So lässt sich auch sehr schön ablesen, wo noch blinde Flecken bei unserer Medienkompetenzentwicklung sind. Man kann erkennen, dass zum Beispiel beim Kompetenzbereich „Bedienen und Anwenden“ die Teilkompetenz „Datenschutz und Informationssicherheit“ fehlt oder beim Kompetenzbereich „Problemlösen und Modellieren“ die Teilkompetenz „Algorithmen erkennen“ noch nicht vom Medienkonzept erfasst ist.

Können Sie an einem Beispiel erläutern, wie genau sich der Medienkompetenzrahmen auf die Unterrichtspraxis auswirkt?

Im Fach Englisch lassen sich viele Teilkompetenzen des MRK zum Beispiel mithilfe der App Greenscreen abdecken. Mit Greenscreen werden Filmaufnahmen für den Englischunterricht vor einem grünen Hintergrund gemacht. Die Schülerinnen und Schüler stellen sich vor die Videokamera und der Big Ben wird als Hintergrund eingeblendet. Nun erläutern die Gefilmten auf Englisch etwas zu den „Houses of the Parliament“. Weil meistens irgendetwas noch nicht passt, nehmen die Lernenden die Filmsequenz mit dem Big Ben mehrmals auf. Während der Videoproduktion bemerken sie dann, dass sie den Englischtext „nebenbei“ gelernt haben.
Bei dieser einfachen Unterrichtsreihe durchlaufen die Schülerinnen und Schüler gleich mehrere Kompetenzbereiche des MKR. Zunächst recherchieren sie Informationen im Internet zu den „Houses of the Parliament“, dann suchen sie die Hard- und Software aus, um die Unterrichtsreihe zum Big Ben zu inszenieren. Schließlich präsentieren sie ihr Medienprodukt vor der Klasse und reflektieren den Einsatz von Software.
Wie offen sind die Kolleginnen und Kollegen an Ihrer Schule dafür, sich auf die Vorgaben des Medienkompetenzrahmens einzulassen?

Die Kollegen bei uns sind sehr offen. Das liegt aber auch daran, dass an unserer Schule die Ausstattung mit Hard- und Software sehr gut ist. Bei Schulen, die nicht so gut ausgestattet sind, kann es zu Frust kommen.

Welche Tipps haben Sie für Lehrkräfte an anderen Schulen?

Man braucht sich nicht erschlagen zu fühlen. Die meisten der 24 Teilkompetenzen, die der MKR vorgibt, haben Schulen in irgendeiner Weise bereits abdeckt.

Christian Conradi arbeitet als Lehrer für Mathematik und evangelische Religionslehre an der Verbundschule Hille in NRW sowie als Medienberater des Kompetenzteams Kreis Minden-Lübbecke

Wie kommen die Lehrkräfte mit dem Medienkompetenzrahmen NRW klar?
Die Teilkompetenzen des Medienkompetenzrahmens sind teilweise sehr abstrakt formuliert. Es gibt nur noch einen Kompetenzrahmen für alle Schulformen bis zum Ende der Sek I. Die Differenzierung erfolgt durch die Altersangemessenheit der jeweiligen Unterrichtsbeispiele. Das ist für Lehrkräfte mitunter eine Herausforderung und könnte zu Überforderungen in den Lehrerkollegien führen. Der sechste Kompetenzbereich „Problemlösen und Modellieren“ ist durch die KMK Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ neu hinzugekommen. Damit enthält der Medienkompetenzrahmen auch Elemente informatorischer Grundbildung. Gerade diese Aspekte erfordern aber von den Lehrkräften neue Kompetenzen, die sie in ihrer Lehrerbildung größtenteils noch nicht erworben haben. Die Umsetzung des Medienkompetenzrahmens NRW stellt die Lehrkräfte, neben den Themenfeldern Inklusion und Integration, vor neue Herausforderungen.
Ende November 2018 haben wir an unserer Schule einen pädagogischen Nachmittag in den Fachkonferenzen. Dann werden wir überprüfen, wie wir als Kollegium den MKR mit Leben füllen können. Da wird es auch zu Arbeitsaufträgen an die Fachkonferenzen kommen. Im Idealfall würde das so ablaufen, dass sich bei der Umsetzung der 24 Medienkompetenzen alle Fächer einbringen und dadurch alle Teilkompetenzen abgedeckt werden.

Haben Sie ein gutes Beispiel für die Arbeit mit dem Medienkompetenzrahmen?
Ich unterrichte Mathematik und evangelische Religionslehre und habe kürzlich mit einer Lerngruppe der neunten Jahrgangsstufe das Thema „Wundergeschichten“ behandelt. In arbeitsteiligen Gruppen sollen die Neuntklässler eine Wundergeschichte aus der Bibel auswählen und schließlich mit Playmobilfiguren nachspielen. Wenn die Schüler das machen, dann deckt das mehrere Teilkompetenzen des MKR ab: „Medienausstattung kennen“, „verschiedene digitale Werkzeuge kennen und deren Funktionsumfang kennen“, „Informationen und Daten sicher speichern, wiederfinden und von verschiedenen Orten abrufen“, „Medienprodukte adressatengerecht planen, gestalten und präsentieren“. Kurzum: Mit einer Unterrichtsreihe wie Wundergeschichten im evangelischen Religionsunterricht kann man die ganze Spannbreite der Teilkompetenzen aus unterschiedlichen Kompetenzbereichen abdecken. Konkret auf die Unterrichtsreihe zu Wundergeschichten bezogen heißt das: Die Schülerinnen und Schüler haben sowohl die Struktur von Wundergeschichten als auch Medienkompetenzen erarbeitet. Die Kunst ist es Medien- und fachliche Kompetenz integrativ zu vermitteln.
Und wo hakt es?
Eine Gefahr ist das Zeitproblem. Die Schülerinnen und Schüler können den hohen Aufwand beim Thema Wundergeschichten nur einmal im Rahmen des Religionsunterrichts im neunten Jahrgang leisten. Der Zeitrahmen für solche Unterrichtsreihen, die vielfältige Teilkompetenzen abdecken, ist sehr eng. So etwas kann man nicht einfach mal nur am Ende der Reihe „dranhängen“. Allerdings muss der MKR nicht in jedem Fach und im Laufe eines Schuljahres abgedeckt werden. Ziel ist es, dass am Ende der Schullaufbahn der Schülerinnen und Schüler alle Fächer dazu beigetragen haben, dass die 24 Teilkompetenzen entwickelt worden sind.

Was möchten Sie Kolleginnen und Kollegen mitgeben?
Wir dürfen die Kolleginnen und Kollegen nicht überfordern, vor allem nicht vor dem Hintergrund der Erfahrungen, die wir mit Inklusion gesammelt haben. Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.
Vieles steht und fällt leider auch mit der technischen Ausstattung von Schulen und dem Breitbandanschluss. Je nachdem in welcher Stadt Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden, kann sich die technische Ausstattung stark unterscheiden. Die Gelder von „Guter Schule 2020“ sind zum Teil nicht abgerufen worden und der Digitalpakt gestaltet sich bisher auch schwierig: Voraussetzung für seine Umsetzung ist, dass das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern fällt.

Die Interviews führte: Arnd Zickgraf