Klett-Themendienst Nr. 89 (10/2019)

In die Aufbruchsstimmung nach der Entscheidung für den Milliarden schweren Digitalpakt mischt sich nun Unsicherheit in den Schulen, was die Digitalisierung von Schulen anbelangt. Patrick Baarck, Lehrer aus Schleswig-Holstein, warnt vor der übereilten Beschaffung von digitalen Medien für Schulen.

Sie sind in Schleswig Holstein als Referent und Berater für IT-Beschaffungsfragen und digitale Unterrichtsmittel tätig. Nehmen Sie eine Aufbruchsstimmung im Zusammenhang mit dem Digitalpakt an Schulen wahr?

Mit dem Thema Digitalpakt sind Frustrationen und Überforderungen verbunden. Vielen Schulleitungen fehlt die Zeit, sich mit der Digitalisierung ihrer Schule vernünftig auseinandersetzen zu können. Sie bräuchten mehr Fachwissen, um zu entscheiden, welche Investitionen sinnvoll sind, welche digitale Infrastruktur erforderlich ist und wie Schule sich medial überhaupt weiter entwickeln soll. Auch unter Lehrkräften nehme ich Unsicherheiten in Bezug auf die Digitalisierung von Schule wahr. Viele haben Angst, digital zu arbeiten, weil ihnen Zeit und Raum fehlten, sich fortzubilden. Denn die meisten Lehrkräfte sind fachlich zwar gut ausgebildet worden, hatten in ihren Lehramtsstudiengängen aber kaum mit digitaler Medienbildung zu tun. Ich weiß von Ängsten von Lehrkräften, vor Schülern Fehler zu machen.
Ebenso gibt es Kolleginnen und Kollegen, die kurz vor der Pensionierung stehen und für sich nicht mehr die Notwendigkeit sehen oder es sich nicht mehr zutrauen, sich in aufwendige, ihnen nicht vertraute Technologien einzuarbeiten. Die Digitalisierung von Schule und Unterricht beinhaltet eben deutlich mehr, als nur einen Film in den Unterricht einzustreuen. Da befürchten viele Lehrkräfte, mit Schülerinnen und Schülern nicht mithalten zu können. Zwar gibt es inzwischen Fortbildungen, um Medienkompetenzen von Lehrkräften zu verbessern, aber zu wenige. Und es ist schwierig, passgenaue Fortbildungen zu erkennen.

Woran erkennt man gute Fortbildungen denn?

Am besten durch Weiterempfehlung. Es gibt zwar inzwischen viele Fortbildungsangebote für Schulen. Aber es ist wichtig zu hinterfragen, wer diese Fortbildungen anbietet. IT-Experten aus der Wirtschaft zum Beispiel können zwar fachlich sehr kompetent sein, aber pädagogisch-didaktisch gehen diese Fortbildungen vielfach an den Bedürfnissen von Schule vorbei. Ein wichtiges Qualitätsmerkmal sind ferner Inhouse-Fortbildungen an Schulen. Bei externen Fortbildungen werden Schulleitungen und Lehrkräfte zum Beispiel in digitale Tafelsysteme geschult, mit denen sie in ihrer eigenen Schule nicht arbeiten und die andere technische Voraussetzungen haben als in ihrer eigenen Schule. Dagegen sind IT-Experten, die Inhouse-Fortbildungen anbieten, darauf angewiesen, mit schuleigenen digitalen Netzwerken und Medien zu arbeiten. Das ist viel ergiebiger.

Was brauchen Schulleitungen und Lehrkräfte noch, um die Mittel aus dem Digitalpakt sinnvoll zu nutzen?

Sie brauchen ein vernünftiges Fortbildungskonzept, ein Supportkonzept und Mediencurricula. Aber diese lassen sich auch nicht von heute auf morgen entwickeln und schreiben. Hier ist Weitblick gefordert.
Inzwischen gehe ich auch davon aus, dass eine Schule ohne IT-Fachkräfte nicht mehr auskommen kann. Wenn man sich die Systeme an Schulen anschaut, vom Serverschrank bis hin zu Mobile Devices sind das meist sehr komplexe Systeme, die auch in Wirtschaftsunternehmen nur von IT-Fachkräften administriert werden können. Hier brauchen wir unbedingt kompetente IT-Fachkräfte, die mit dem System umgehen können und dieses System warten können.

IT-Beschaffung ist ein komplizierter Vorgang

Welche Erfahrungen haben Sie in Ihrem Kreis mit der Beschaffung von digitalen Medien noch gesammelt?

Es ist ein sehr hoher Aufwand an bürokratischen Hürden und Datenschutzrichtlinien zu erfüllen, die den Prozess sehr kompliziert machen. Die Beschaffung von digitalen Medien unterscheidet sich von Schulträger zu Schulträger, von Kommune zu Kommune, wo mitunter mehrere Gemeinden den Schulträger unterstützen. Teilweise unterscheidet sich die Beschaffung sogar innerhalb der verschiedenen Gemeinden, die einem Schulverband angehören können. Und Schulträger sind meistens noch ahnungsloser als Schulleitungen, da Ihnen der Bezug zum Unterricht fehlt und sie in diesem Zusammenhang oftmals den Einsatz digitaler Medien nicht nachvollziehen können.

Wie lange dauert es, bis ein Konzept für den digitalen Unterricht eine gute Qualität hat?

Vor drei Jahren habe ich das von mir erstellte Medienkonzept unserem Schulträger vorgestellt. Da ging es darum, in welche Richtung sich unsere Schule in zehn Jahren entwickeln kann. Das Konzept ist inzwischen fertig, aber es ist auch ein stetiger Prozess der Weiterentwicklung.

Überstunden ohne Ende

Leisten Lehrkräfte im Zusammenhang mit der Digitalisierung von Schule Überstunden?

Definitiv, ohne Ende. Als es darum ging, unserem Schulträger von der Notwendigkeit der Einstellung einer IT Fachkraft zu überzeugen, habe ich einmal die Stunden aufgeschrieben, die ich in die schulische IT investiert habe. Im Schnitt habe ich sieben bis acht Stunden in der Woche investiert, nur um das System am Laufen zu halten. Dabei besteht meine Aufgabe eigentlich nur darin, das IT-System unserer Schule aufzubauen und weiterzuentwickeln. Zur Weiterentwicklung der IT bin ich in der letzten Zeit gar nicht mehr gekommen.
Aber auch den Kolleginnen und Kollegen geht es so. Wir bilden uns stetig in unseren Fächern weiter und auch dort, wo es um den Unterricht mit digitalen Medien geht. Aber es gehört mehr dazu, als sich bloß fortzubilden. Lehrkräfte müssen auch die Bedienung der digitalen Geräte üben und kleine Fehler selbst beheben können.

Ist das Personal von Städten und Gemeinden, das Personal von Schulträgern ausreichend qualifiziert, um die Konzepte für den digitalen Unterricht beurteilen zu können?

Ich denke nicht. Die Schnittmenge in der Arbeit zwischen Schulträger und den pädagogischen Kräften einer Schule ist häufig nicht besonders groß. Beschäftigt sich doch der Schulträger überwiegend mit haushaltsrelevanten Inhalten und mit baulichen Gegebenheiten, während das Kollegium den pädagogischen und den methodisch-didaktischen Teil von Schule abdeckt. Daher ist eine intensive Kommunikation zwischen diesen Gremien notwendig, damit die jeweils andere Seite die Notwendigkeiten des Gegenübers nachvollziehen kann und der Schulträger nachvollziehen kann, wofür er Mittel freimachen soll.
Schülerinnen und Schüler lernen mittlerweile nicht mehr nur im Klassenraum, sondern in der ganzen Schule. Sie müssen überall im Gebäude die Möglichkeit vorfinden, einen selbstbestimmten und kritischen, aber auch produktiven und kreativen Umgang mit Medien zu erlernen.
Nicht alle digitalen Geräte auf einmal anschaffen

Wie kann man Schulleitungen und Lehrkräfte davon überzeugen, sich mehr Zeit zu lassen, um gute Konzepte für den Einsatz von digitalen Geräten zu entwickeln?

Das Wichtigste ist, sich von der Vorstellung zu verabschieden, alle digitalen Geräte auf einmal anzuschaffen. Die Lehrkräfte müssen auch erstmal den Umgang damit lernen. Wichtig ist, dass das Gerät, was angeschafft wird, stabil ist und zuverlässig zu nutzen. Nichts ist schlimmer, als wenn ein Lehrer seinen Unterricht digital vorbereitet, aber das Netzwerk oder das Gerät fehlerhaft ist. Das führt schnell zur Frustration.

Mit Patrick Baarck sprach Arnd Zickgraf

Kompakt
Zur Person: Patrick Baarck, 34 Jahre, ist seit zehn Jahren an der Auenwaldschule Gemeinschaftsschule Böklund Lehrer für Mathematik, Geografie, Sport und digitale Medien beschäftigt. Außerdem ist er als Referent und Berater für digitale Unterrichtsmedien im Land tätig. Er ist zudem Autor des Digitaler Leitfadens, der kürzlich bei Klett erschienen ist.