Klett-Themendienst Nr. 90 (12/2019)

Während die Politik noch über Details diskutiert, wie die Kinderrechte im Grundgesetz verankert werden sollen, endet in Bonn das Pilotprojekt für Grundschulen „Initiative Kinderrechte“. Der Geschäftsführer der Bürgerstiftung Bonn, Jürgen Reske, verrät Ziel und Konzept des Projektes.

Warum nimmt sich die Bürgerstiftung Bonn des Themas Kinderrechte an?

Als Bürgerstiftung kümmern wir uns immer wieder gerne um Themen, auf die uns engagierte Bonnerinnen und Bonner aufmerksam machen. So hat uns 2017 eine Grundschullehrerin um Unterstützung bei der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention gebeten. Für unsere Entscheidung war außerdem von Bedeutung, dass Bonn eine UN-Stadt ist und wir gerade hier einen Beitrag leisten wollen.

Welches Ziel haben Sie sich mit der „Initiative Kinderrechte“ gesetzt?

Unser Ziel war und ist es, das Bewusstsein für die Kinderrechte im System Schule zu schärfen und ihre konkrete Umsetzung durch geeignete Materialien zu erleichtern. Wir wollten ein ganzheitliches und nachhaltiges Konzept für Grundschulen entwickeln.

Wer war an dem zweijährigen Pilotprojekt beteiligt?

Wir haben das Pilotprojekt mit den „Kinderrechte-Beauftragten“ – Lehrkräften und pädagogischen Fachkräften – von sieben Grundschulen und Offenen Ganztagsschulen – durchgeführt. Die zahlreichen Workshops wurden von einem professionellen Moderator ehrenamtlich geleitet. Alle Materialien und auch die Webseite www.kinderrechte-bonn.de wurden von einer Kommunikationsagentur gestaltet.

Warum ist die Grundschule der richtige Ort, um auf das Thema aufmerksam zu machen?

Die Grundschule und Offene Ganztagsschule sollte für die Kinder – wie ihr Zuhause und vorher die Kindertagesstätte – ein kinderfreundlicher Ort sein, an dem sie sich geborgen fühlen, ihre Fähigkeiten entfalten und zu eigenständigen starken Persönlichkeiten heranwachsen. Ab der dritten Klasse sind die Kinder in der Regel auch in der Lage, ein strukturiertes Wissen über die Kinderrechte zu erwerben.

In welchen Fächern können die Kinderrechte unterrichtet werden?

Die Kinderrechte sind nicht ausdrücklich im Lehrplan verankert, es gibt aber ausreichend Anknüpfungspunkte in allen Lernfeldern, die eine Behandlung im Unterricht ermöglichen.


KTD_90_Kinderrechte

Die Kinderrechte und die UN-Kinderrechtskonvention als Lesetext im Fach Deutsch, Klasse 4, Bücherwurm Lesebuch, Ernst Klett Verlag (310746), S. 54-55.

Was konkret bietet das Projekt den Schulen?

Wir haben ein umfassendes Konzept entwickelt, das die ganze Schulgemeinschaft – auch die Eltern – auf einfache und strukturierte Weise mit den Kinderrechten vertraut macht. Die Lehrkräfte erhalten nicht nur umfangreiche Informationsmaterialien zum Thema, sondern auch fertige Unterrichtsentwürfe, mit denen sie das Projekt leicht verwirklichen können. Für den wichtigen Bereich „Beteiligung und Mitbestimmung“, also den Klassenrat und das Kinderparlament, bieten wir für die „Kinderrechte-Beauftragten“ eine spezielle Weiterbildung an.

Was beinhaltet die „Kinderrechte-Box“?

Die Kinderrechte-Box ist für die Lehrkräfte übersichtlich und leicht handhabbar gestaltet. Sie ist so angelegt, dass die Lehrkräfte flexibel entscheiden können, ob sie die Kinderrechte nur in ihren Grundzügen behandeln oder sogar eine Projektwoche gestalten möchten. In einem „Kompendium für Kinderrechte-Beauftragte“ wird umfassend über das Themenfeld informiert: von der Geschichte der Kinderrechte bis zum Kinderschutz in der digitalen Welt. Für die Lehrkräfte in den Jahrgangsstufen 1 und 2 wurde eine strukturierte Übersicht „Bezüge zum Lehrplan“ entwickelt. Für die Jahrgangsstufen 3 und 4 haben wir drei aufeinander aufbauende Lerneinheiten vorbereitet, die in der Schulpraxis bereits erprobt wurden. Möglichkeiten zur Vertiefung bieten zwei weitere Lerneinheiten, z.B. „Rechte und Pflichten“, und das Kinderrechtebuch „Bloß keine Ferien“ von Alexa Schmidt. In der Box sind auch die „Bezüge zum Medienpass NRW“ enthalten: Alle sechs Kompetenzbereiche bieten die Möglichkeit, leicht einen Bezug zu den Kinderrechten herzustellen.

Wie wollen Sie die Eltern und Erziehungsberechtigten erreichen?

Die Schul- und OGS-Leitungen des Pilotprojektes haben ihre „Erziehungsvereinbarung“ noch stärker auf das Thema Kinderrechte ausgerichtet. Außerdem haben wir eine eigene „Eltern-Info“ entworfen, in der über die Kinderrechte informiert und um Unterstützung gebeten wird. Diese reicht vom „gesunden Frühstück“ bis zum Schutz der Kinder vor übermäßigem Medienkonsum. 

Wie werden Sie das Projekt weiterbegleiten?

Wir werden alle Kinderrechte-Beauftragten zu einem „Netzwerk“ verbinden, das der Qualitätssicherung und Weiterentwicklung des Projektes dient. Zwar ist das Pilotprojekt nun beendet, aber mit unserer „Initiative Kinderrechte“ stehen wir jetzt erst in den Startlöchern.

Kann jede Schule, die möchte, mitmachen?

Ab 2020 laden wir alle Bonner Grundschulen ein, sich unserer „Initiative Kinderrechte“ anzuschließen. Voraussetzungen hierfür sind das grundlegende Einverständnis der Schul- und OGS-Leitungen sowie die Benennung von „Kinderrechte-Beauftragten“ und deren Teilnahme an unserer umfassenden Weiterbildung. 

Das Gespräch führte: Stephan Lüke

Kompakt
Am 20. November 1989 wurden die Kinderrechte in der UN-Konvention verankert. 30 Jahre später nimmt in Deutschland das Vorhaben, die Kinderrechte im Grundgesetz festzuschreiben, Fahrt auf. Auch die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag dazu verpflichtet. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht will die Rechte von Kindern ins Grundgesetz aufnehmen. Wie die SPD-Ministerin mitteilte, will sie hierfür bis Ende des Jahres einen Referentenentwurf mit einem Formulierungsvorschlag vorlegen.

Buchtipp:
Die UN-Kinderrechte werden in vielen Unterrichtsmaterialien der Grundschulen behandelt, schwerpunktmäßig in den Fächern Deutsch, Ethik und Sachkunde.
https://www.klett.de/produkt/isbn/978-3-12-310746-7?searchQuery=310746