Klett-Themendienst Nr. 91 (01/2020)

Jahr für Jahr bewerben sich etliche Schulen um den Deutschen Schulpreis. Sie zeichnen sich durch innovative Schulentwicklung aus. Welches Qualitätsverständnis sich hinter dem Preis verbirgt und wozu das neue Planspiel „Gute Schule“ genutzt werden kann, verrät der Sprecher der Jury des Deutschen Schulpreises, Prof. Dr. Michael Schratz (Uni Innsbruck).

Die jüngste PISA-Studie sollte aufschrecken. Die Leistungen deutscher  Schülerinnen und Schüler im Lesen, in Mathe und den Naturwissenschaften sind seit 2015 gesunken. Haben alle Bemühungen um Schulentwicklung nicht gefruchtet?

PISA-Ergebnisse gewähren Blick auf die Schülerleistungen insgesamt. Sie sagen aber wenig über den Erfolg der Einzelschule aus. Erfolgreiche Schulen, etwa die mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet wurden, schneiden bei derartigen Vergleichsstudien überdurchschnittlich ab. Diese Erfolge sind auf jahrelange gemeinsame Schul- und Unterrichtsentwicklung zurückzuführen, denn Schülerleistungen lassen sich nicht direkt über ministerielle Erlasse steuern. Schulentwicklung braucht Zeit, aber auch das notwendige Know-how und die gezielte Zusammenarbeit aller Beteiligten.

Der Deutsche Schulpreis soll Schulen auch motivieren, sich zu „verbessern“. Er wird nicht nur für eine „fertige“ gute Schule vergeben, sondern für besonders gute Schulentwicklung. Welche Wege führen zu einer guten Schule?

Zunächst das Bewusstsein, dass Entwicklung auf die Mitarbeit Aller angewiesen ist – seien das Schulleitung, Lehrkräfte, Schülerschaft, aber auch Eltern und außerschulische Partner. Da stellt sich die Qualitätsfrage „Wie gut sind wir?“ und darauf wird es schon sehr unterschiedliche Antworten geben. Daher die zweite Frage: „Woher wissen wir das?“ Die Antworten der zahlreichen unterschiedlichen Partner und Professionen an Schule führen zu einem vielfältigen Meinungs- und Einschätzungsbild. Daraus ergibt sich der Entwicklungsbedarf und die Folgefrage: „Was können wir tun, damit wir besser werden?“ Die Antwort darauf gibt den Weg zur guten Schule vor.

Gibt es aus Ihrer Sicht einen Königsweg?

Für Schulentwicklung gibt es keine Blaupause. Jede Schule ist anders, wie es auch die Menschen sind. Daher hängen die Antworten auf die drei Einstiegsfragen immer von den Bedingungen vor Ort ab. Sie gelten für alle Schulen, die Antworten und Konsequenzen aber unterscheiden sich von Standort zu Standort.

Bei der  Verleihung des Deutschen Schulpreises wird stets auf die sechs Qualitätsbereiche abgehoben. Welches grundsätzliche Qualitätsverständnis liegt diesen Bereichen zugrunde?

Sie entstammen einem umfassenden Qualitätsverständnis, das sich weltweit in Wirksamkeitsstudien zeigt. Allerdings sind die Befunde so vielfältig und differenziert, dass sie für die praktische Arbeit nicht handhabbar wären. Wir haben sie daher in den sechs Bereichen thematisch gebündelt und als wünschenswerte Qualitätserwartungen formuliert.

Konkretes Thema: In manchen Schulen, die für den Deutschen Schulpreis nominiert waren,  wird im Unterricht „gesegelt“. Segel(n) steht für selbstgesteuertes Lernen. Welches Qualitätsverständnis drückt sich an einer Schule aus, die sich vom herkömmlichen Frontal-Unterricht verabschiedet?

Nicht die gewählten Methoden machen den guten Unterricht aus, sondern das gemeinsame Bemühen der unterschiedlichen Profis an der Schule.  Entscheidend ist, dass multiprofessionelle Teams die Kinder und Jugendlichen ganzheitlich wahrnehmen und sie von ihrem jeweiligen Lernstand aus erfolgreich ans Ziel bringen. Das Qualitätsverständnis erfolgreicher Schulen resultiert aus der  Wirksamkeit aufeinander abgestimmter Maßnahmen und das respektvolle Miteinander in der lehr-lernseitigen Dynamik.

Gerade die Gymnasien in Deutschland verweisen darauf, wie wenig homogen ihre Schülerschaft in den vergangenen Jahrzehnten geworden ist. Was sagt das Qualitätsverständnis des Deutschen Schulpreises zum Thema Vielfalt? Und welche Linien ziehen Sie zwischen Vielfalt und einem hohen Leistungsanspruch?

Der hohe Leistungsanspruch gilt für alle Niveaustufen, wenn wir unseren Bildungsanspruch nicht aufgeben wollen! Lehrkräfte an erfolgreichen Schulen stehen in entscheidender Mitverantwortung, alle Schülerinnen und Schüler zum höchsten Bildungsabschluss zu bringen. Sie haben kluge Ideen, wie sie mit den vielen Unterschieden umgehen und die Begabungen jedes einzelnen Jungen und Mädchens fördern.

Nun gibt es etwas Neues: ein Planspiel auf der Grundlage der Qualitätsbereiche des Deutschen Schulpreises. Sie gehören zusammen mit zwei jungen Referendaren zu den Autoren. Was war Ihre Idee? Wer soll das Planspiel Gute Schule spielen und warum?

Das Planspiel ermöglicht einen spielerischen Einstieg mitten in die Dynamik der Qualität von Schule und Unterricht: Die Spielgruppe erhält bewährte Anregungen und sofort übertragbare Werkzeuge erfolgreicher Schulen. Nach drei gespielten Schuljahren, unterbrochen durch kritische Ereignisse, zeigt sich, ob die gewählten Strategien, das investierte Budget und die gemeinsam getroffenen Entscheidungen die Schule weitergebracht haben.

Was macht Ihnen beim Spielen besonders Spaß? Und lernt Lehrerin XY auch etwas Neues für ihre eigene Schule kennen?

Besonders reizvoll ist die Übernahme von unterschiedlichen Rollen, die mir ganz neue Perspektiven eröffnen. So lerne ich zu verstehen, was eine Schulpsychologin oder ein Sozialarbeiter zur Qualitätsentwicklung der Schule beitragen kann. Lehrpersonen schätzen am Spiel, dass es den Blickwechsel vom „Ich und mein Unterricht“ zum „Wir und unsere Schule“ ermöglicht und sie mehr über den Stellenwert des eigenen Beitrags zum großen Ganzen von Schul- und Unterrichtsqualität erfahren können.

Autor: Stephan Lüke

Kompakt
Sechs Qualitätsbereiche liegen dem Deutschen Schulpreis zugrunde: Leistung; Umgang mit Vielfalt; Unterrichtsqualität; Verantwortung; Schulklima, Schulleben und außerschulische Partner; Schule als lernende Institution. Seit 2006 sucht die Jury des deutschen Schulpreises anhand dieses Qualitätsrahmens nach den besten Schulen der Bundesrepublik. Ein Autorenteam hat sich nun über Monate mit der Frage beschäftigt, wie sich Schule spielerisch und losgelöst von klassischen Seminarstrukturen verändern und weiterentwickeln lässt. Herausgekommen ist das Planspiel Gute Schule (www.planspielguteschule.de). Es korrespondiert mit den sechs Qualitätsbereichen des deutschen Schulpreises.