Klett-Themendienst Nr. 101 (07/2021)

Im Planspiel Fake Hunter sollen Schülerinnen und Schüler ausprobieren, mit verschiedenen Methoden den Wahrheitsgehalt von Meldungen zu überprüfen. Entwickelt wurde Fake Hunter von einem Team der Büchereizentrale Schleswig-Holstein. Ein Einblick.

Zucker ist gesund – so lautet die Schlagzeile einer Meldung im Internet, die sich auf eine wissenschaftliche Studie beruft. Wie kann man herausfinden, ob man dieser Aussage trauen darf? Eine Frage, die Marielies Schuldt an die Schüler:innen einer 8. Klasse der Friedegart-Belusa-Gemeinschaftsschule Büchen richtet. Schuldt ist Medienpädagogin in der Stadt- und Schulbücherei Lauenburg an der Elbe östlich von Hamburg und gibt online für die Achtklässler eine Einführung in das Planspiel Fake Hunter. Dabei stellt sie so genannte Prüfwerkzeuge vor, mit denen man Fake News enttarnen kann. Dazu gehört die Kontrolle des Impressums – auf jeder Homepage muss ein Verantwortlicher für den Inhalt genannt werden. „Fehlt ein Impressum, ist das ein Hinweis, dass die Seite nicht seriös ist“, sagt Schuldt. Bei dem Artikel über die Zuckerstudie ist ein Impressum ist vorhanden, es wird eine Firma aus Süßdorf als Betreiber genannt – über eine Suchmaschine kann man herausfinden, dass es diesen Ort nicht gibt.

Nach dieser Einführung überprüfen die SchülerInnen in Kleingruppen selbstständig verschiedene Meldungen aus dem Internet. Sie sitzen im Computerraum ihrer Schule und rufen sich Nachrichten aus dem Planspiel auf. Schaffen sich wirklich immer mehr bekannte Schauspieler:innen Hängebauchschweine als Haustiere an? Merle schaut sich die Angaben zur Autorin dieses Artikels an, die 1998 geboren wurde und 2008 ihr erstes Kind bekam – das scheint doch eher unwahrscheinlich zu sein. Das Computerspiel Fortnite wird Wahlfach an Südtiroler Schulen? Maya ist skeptisch. Sie gibt den Verfassernamen in eine Suchmaschine ein und findet keine Informationen über ihn. Außerdem überprüft sie das Foto zur Meldung über www.tineye.com und findet heraus, dass das Bild in einem ganz anderen Zusammenhang im Internet auftaucht. Für sie klare Hinweise darauf, dass an dieser Nachricht nichts dran ist.

Alles kann gelogen sein

Simon will herausbekommen, ob in den USA ein Online-Waffenhändler tatsächlich eine Verschärfung des Waffenrechts unterstützt. Er überprüft unter anderem, ob die genannte Quelle seriös ist und die Überschriften reißerisch wirken, ob die Angaben zum Autoren korrekt sind, ob es Unstimmigkeiten bei den Zeitangaben gibt, ob es sich durch die Wortwahl auch um eine Satire handeln könnte. „Ich habe nichts Verdächtiges gefunden, die Meldung könnte stimmen“, lautet Simons Schlussfolgerung. Er schaut sich gerne Bilder auf Instagram an und will künftig häufiger recherchieren, woher diese Fotos stammen. Bei wichtigen Themen wie Corona verlässt er sich eher auf Fernsehnachrichten als das Internet.

„Drei Viertel der Klasse nutzt TikTok, auch YouTube ist beliebt. Snapchat spielt dagegen keine so große Rolle und Facebook ist out“, sagt Deutschlehrerin Stephanie Feilscher. Für sie ist Fake Hunter ein gelungenes Planspiel, dass SchülerInnen unabhängig von ihrem Leistungsstand anspricht und gut die Botschaft vermittelt, genau im Internet hinzuschauen, weil alles ein Fake sein könnte.

„Die Klasse hat das Prinzip des Planspiels supergut verstanden, manchmal wurden nur kleine Details übersehen. Ich bin mit den Ergebnissen sehr zufrieden“, sagt Schuldt. Ihre Einführung hat sie wegen der Pandemie online gegeben, vor Corona kamen die Schulklassen zu ihr in die Bücherei. „Ich habe Fake Hunter leicht abgewandelt auch schon mit 5. Klassen gespielt, das klappt sehr gut“, sagt Schuldt.

Bundesweit im Einsatz

In dem Planspiel sollen Schülerinnen und Schüler auch untersuchen, ob der Artikel als Meinung oder Kommentar gekennzeichnet ist. Dieses Prüfwerkzeug („Meinung? Satire? Schlechter Scherz?“) eignet sich nach Einschätzung der 8. Klasse allerdings am wenigsten zur Überprüfung einer Meldung. Dahinter steckt ein grundsätzliches Problem: Laut der kürzlich veröffentlichten Pisa-Sonderauswertung „Lesen im 21. Jahrhundert: Lese- und Schreibkompetenzen in einer digitalen Welt“ sagt mehr als die Hälfte der 15-Jährigen, dass sie in der Schule nicht lernen würden, Fakten von Meinungen zu unterscheiden. Insofern verwundert nicht, dass die Jugendlichen aus Büchen vor allem die Kontrolle des Impressums und der Autoren als geeignete Methode ansehen, eine Nachricht auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen – wenn es kein Impressum gibt, ist es für sie ein klares Zeichen, mehr als skeptisch gegenüber den Inhalten zu sein.

Entwickelt hat Fake Hunter ein Team der Büchereizentrale Schleswig-Holstein, das BibliothekarInnen als MultiplikatorInnen in diesem Planspiel fortbildet. Mehr als 60 Bibliotheken in Schleswig-Holstein bieten Schulen die Durchführung von Fake Hunter an, aber auch in den meisten anderen Bundesländern sowie in Österreich und der Schweiz gibt es Büchereien mit speziell geschultem Personal für das Planspiel (siehe auch www.diefakehunter.de). Für Kinder an den Grundschulen wurde die Version Fake Hunter Junior konzipiert, mit Hinweisen auf spezielle Suchmaschinen für Kinder wie www.fragfinn.de und www.blinde-kuh.de.

Letztlich geht es darum, die Sensibilität für das Thema bei jungen Menschen zu erhöhen. Das scheint zu klappen – bei der Auswertung des Planspiels sagt zumindest die Mehrheit der Büchener Klasse, dass sie künftig genauer hinsehen und bei Bedarf recherchieren will, wie glaubwürdig eine Nachricht wirklich ist. „Fakes sind in der Realität aber nicht so leicht zu erkennen wie im Planspiel“, gibt Schuldt zu bedenken. Daher empfiehlt sie zur Vertiefung die Seite https://der-newstest.de der Stiftung Neue Verantwortung, die unter anderem von der Bundeszentrale für politische Bildung unterstützt wird. Dort finden sich wahre und falsche Meldungen, die tatsächlich im Internet veröffentlicht wurden.

Autor: Joachim Göres

Kompakt
Quelle, Autor, Impressum, Datumsangaben und Bilder prüfen sowie untersuchen, ob es sich um eine Meinung oder vielleicht auch um eine Satire handelt – nach diesen Kriterien sollen Kinder und Jugendliche im Planspiel Fake Hunter Artikel aus dem Internet kontrollieren und herausfinden, ob sie es möglicherweise mit Falschmeldungen zu tun haben. Es gibt eine Version des Planspiels für Grundschüler:innen und eine für ältere Kinder, das von der Büchereizentrale Schleswig-Holstein entwickelt wurde und in den meisten Bundesländern von Bibliotheken in Kooperation mit Schulen durchgeführt wird.

Buchtipp:
Falschmeldungen, zweifelhafte Memes oder Bilder zu erkennen, gehört mit zur Entwicklung und Stärkung der Medienkompetenz. Das Thema „Fake News“ wird in verschiedenen Fächern unterschiedlich gewichtet und untersucht. Zum Beispiel im Fach Deutsch der Klasse 8, im Fach Politik der beruflichen Bildung oder im Fach Englisch der Oberstufe.
Beispiel: Zeitfragen (978-3-12-800413-6, 2021), S. 94: https://klettbib.livebook.de/978-3-12-800413-6/