Sprechen

Autorin: Katharina Kräling

Sprechen im Kontext von Digitalisierung – Neuakzentuierung, aber keine Neuausrichtung
Bei der Schulung der Sprechkompetenz im Spanischunterricht im Kontext von Digitalisierung bahnen sich, anders als bei anderen Teilkompetenzen, wie z. B. bei der Sprachmittlung, keine grundsätzlichen Veränderungen an, auch wenn sie mittels digitaler Kanäle wie Videokonferenzen, Videoanrufen, Sprachnachrichten o. Ä. erfolgen sollte. Die Vorbereitung auf die mündliche Kommunikation bei Begegnungen mit anderen Menschen in spanischsprachigen Ländern bleibt weiterhin notwendig. Selbst wenn Übersetzungsplattformen und entsprechende Apps theoretisch eine mündliche Kommunikation über den Weg der kontinuierlichen Sprachmittlung mithilfe digitaler Medien ermöglichen und damit die Weitergabe von Informationen und eine basale Verständigung sichern, ersetzen sie nicht das direkte zwischenmenschliche mündliche Kommunizieren und Interagieren in der Fremdsprache. Diese direkte Kommunikation geht über den reinen Informationsaustausch hinaus und enthält interkulturelle, soziopragmatische und emotionale Dimensionen, die auf digitalem Wege (noch?) nicht erfasst werden. Eine mündliche Sprechsituation wird darüber hinaus schnell ermüdend, wenn sie sich nur über Übersetzungsplattformen und Übersetzungs-Apps aufrechterhalten lässt. Es gibt dann immer das Medium „dazwischen“, das eine Distanz in das „Zwischenmenschliche“ bringt und eine kleine Verzögerung im Austausch hervorruft, die die Kommunikation künstlich macht. Wenn die Digitalisierung dazu führen sollte, dass Technologien die Kommunikation in der Fremdsprache in einigen Kompetenzbereichen ganz oder teilweise übernehmen, wird hier möglicherweise Raum geschaffen, um dem Sprechen einen stärkeren Stellenwert im Fremdsprachenunterricht zu geben. Bestimmte sprachliche Inhalte müssen im Rahmen von Digitalisierung neu kontextualisiert und ggf. auch anderen Teilkompetenzen zugeordnet werden. So wird zum Beispiel die klassische Wegbeschreibung im Zeitalter von Google Maps oder anderen Apps kein häufiger authentischer Sprechanlass mehr sein, aber möglicherweise eine gute Aktivität für das informationsentnehmende Hörsehverstehen.

Das Potenzial digitaler Tools für die Schulung der Sprechkompetenz
Nicht zu einer neuen Ausrichtung, aber zu einer Neuakzentuierung, wie sie Grünewald beschreibt, kommt es bei der Schulung der Sprechkompetenz vor allem durch die Potenziale zahlreicher digitaler Tools. Ein konkretes Unterrichtsbeispiel zur Förderung der Sprechfertigkeit unter Einsatz einer motivierenden App findet sich in der Rubrik „Lehrwerksarbeit“ unter Unidad 1.

Ausspracheschulung
Vokabel-Apps zum (spielerischen) Erwerb und zur Wiederholung von Lexik sowie digitale Wörterbücher ermöglichen es den Lernenden, auch ohne die Hilfe ihrer Lehrkraft ihre Aussprache im Spanischen zu trainieren. Durch einfaches Anklicken der Wörter können sie diese im Wörterbuch hören und nachsprechen. Bei den Vokabel-Apps werden die Wörter ebenfalls laut gesprochen und die Lernenden zum Nachsprechen animiert; bei einigen Apps gibt es sogar die Möglichkeit, das eigene gesprochene Wort bezüglich seiner Aussprache rückmelden zu lassen.
Textprogramme bieten die Option, geschriebene Texte in der Fremdsprache zu hören, sich die Texte also vorlesen zu lassen. Lernende können so viel selbstständiger und individueller an der eigenen Aussprache arbeiten und sich neuen Wortschatz – auch ohne Einführung durch die Lehrkraft – für den mündlichen Gebrauch aneignen.

Fokussierung auf interkulturelle soziopragmatische Aspekte
Authentische Materialien aus dem Internet ermöglichen eine stärkere Schulung interkultureller soziopragmatischer Aspekte – auch in räumlicher Distanz zu spanischsprachigen Ländern. Die Bedeutung von Gestik und Mimik, Fragen von Nähe und Distanz, Körperlichkeit beim Sprechen allgemein, Lautstärke, Betonung, Register und vieles mehr kann anhand von audiovisuellen Modelltexten, die authentische mündliche Kommunikationssituationen abbilden, aufgezeigt und analysiert werden. Hierzu gehört auch das Bewusstmachen von Sprachvarietäten, Dialekten und Soziolekten in der mündlichen Kommunikation, die ebenfalls durch den Zugriff auf unzählige authentische Ton- oder Ton-Bild-Dokumente wie Podcasts, Radiosendungen, Filme, Musikvideos, Tutorials und Nachrichtensendungen erleichtert wird.  Zugleich kommt dem Spanischunterricht aufgrund der Tatsache, dass interkulturelle soziopragmatische Aspekte nicht durch digitale Sprachproduktions- und Rezeptionstools, sondern authentisch vermittelt werden, eine wichtige Rolle als Wegbereiter zu, was für die Stärkung dieser Perspektive bei der Schulung der Sprechkompetenz sprechen könnte.

Herstellung authentischer Sprechanlässe
Digitale Kontexte und Tools vereinfachen die Herstellung (quasi) authentischer Sprechsituationen. Sprachnachrichten können aufgenommen und verschickt werden; Podcasts, Audioguides für Stadt- oder Museumserkundungen, Videobotschaften, Tutorials, Erklärvideos, Radiosendungen u. a. m. können mittels Smartphones, Apps oder Webseiten als Audiotexte oder audiovisuelle Texte von den Lernenden in und außerhalb der Schule produziert werden. Neben Austauschpartnern im spanischsprachigen Ausland als Adressaten können auch schulische oder außerschulische Blogs, Webseiten oder fiktive digitale Kontexte als Ort der Veröffentlichung mit entsprechendem Publikum dienen und durch ihre Authentizität zum Sprechen motivieren (vgl. z. B. Grünewald 2017: 236–237, Kräling/Schreck 2017, Höfler 2018).

Rückmeldungs- und Überarbeitungsprozesse mündlicher Texte
Smartphones und einige Apps ermöglichen niedrigschwellige Aufnahme- und Versandmöglichkeiten mündlicher Textprodukte. Damit wird eine sehr individualisierte Überarbeitung mündlicher Texte leicht und praktikabel. Lernende können die eigenen oder fremde mündliche Texte mehrfach hören, dabei auf inhaltliche oder sprachliche Aspekte achten und entsprechende Rückmeldungen formulieren. Das Anhören kann auch außerhalb des Unterrichts erfolgen – im Kontext von Hausaufgaben oder durch die Lehrkraft als rückzumeldendes Ergebnis. Der mündliche Text kann so auch leichter überarbeitet, Tonaufnahmen können miteinander verglichen und Fortschritte sichtbar und nachvollziehbar gemacht werden.
Aufnahmen mündlicher Textproduktionen erleichtern darüber hinaus die Durchführung von Projekten mit mündlichem Schwerpunkt, indem die mündlichen Ergebnisse nicht alle gleichzeitig (und damit für die Lehrkraft und viele Lernende nicht rezipierbar) oder alle nacheinander (für alle eher ermüdend und wenig authentisch) produziert und präsentiert werden müssen, sondern aufgenommen zu unterschiedlichen Zeitpunkten rezipierbar und für den Unterricht nutzbar sind (vgl. u. a. Kräling/Schreck 2017, Raith/Seeger 2016: 28–29).

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