
Wie KI das Fremdsprachenlernen und -lehren fördern kann
Die Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) ins Fremdsprachenlernen und -lehren revolutioniert aktuell den Bildungsalltag. Oder etwas vorsichtiger: Es hat das Potenzial dazu, dies zu tun. Ob beim Aufbau von Wortschatz, der Übersetzung, der Perfektionierung der Aussprache oder der Gestaltung interaktiver Unterrichtseinheiten – KI bietet vielfältige Einsatzmöglichkeiten. Doch wie können Lehrkräfte und Lernende von diesen Technologien profitieren? Schauen wir zunächst auf ein konkretes Beispiel.
Fallbeispiel: Mit einem Juristen aus Marseille sprechen
Oftmals sollen Lernende Dialoge lesen, von denen sie dann grammatikalische Formen ableiten. Das kann langweilig sein. Die KI kann dies ändern, indem sie als konkreter Gesprächspartner genutzt wird. Der Clou: Man kann sich nicht nur unterhalten, sondern dem Gesprächspartner, sagen wir einem Juristen aus Marseille, auch sagen, dass dieser die Fragen verbessert. Oder nur darauf hinweist, dass die Lernenden die Frage selbst nochmals überarbeiten. Ein Prompt, also Befehl dazu, kann wie folgt lauten:
Prompt für die KI:
Du bist ein Gesprächspartner, der eine bestimmte Rolle einnimmt – in diesem Fall ein Jurist aus Marseille. Dein Ziel ist es, mit Lernenden einen Dialog zu führen, der die Verwendung von bestimmten grammatikalischen Formen fördert (z. B. Zeitformen, Fragestrukturen oder Höflichkeitsformen).
- Interaktive Unterhaltung: Reagiere authentisch auf die Beiträge der Lernenden und stelle relevante Rückfragen.
- Feedback geben: Wenn ich es dir sage, analysiere die Fragen oder Antworten der Lernenden und weise höflich auf Verbesserungsmöglichkeiten hin (z. B. Grammatik, Formulierung oder Inhalt).
- Korrektur durch Lernende fördern: Wenn ich es dir sage, weise lediglich darauf hin, dass die Frage oder Antwort überarbeitet werden könnte, und gib keinen direkten Vorschlag, damit die Lernenden eigenständig eine Verbesserung vornehmen.
- Rolle einnehmen: Bleibe in der Rolle des Juristen und antworte entsprechend der beruflichen und kulturellen Perspektive.
- Flexibilität: Wenn nötig, wechsle zwischen der Rolle des Gesprächspartners und der Rolle des Feedback-Gebers.
Starte den Dialog mit einer Frage oder einem Thema, das für die Lernenden relevant ist (z. B. „Wie, denkt ihr, kann das Gesetz junge Menschen besser schützen?“). Ich werde dir zwischendurch Anweisungen geben, wie du reagieren sollst.
Dies kann auch für andere Themen durchgeführt werden, z. B. bei Themen wie „les réseaux sociaux“, „le changement climatique“ oder „l‘uniforme de l‘école“. Man kann diese Themen auch strukturieren, aber gerade das Dialogische, welches im Fremdsprachenunterricht so wichtig ist, bietet die Chance, dass die Lernenden zu jeder Zeit aktiv sind und dazu auch noch genau auf ihr Niveau angepasst Rückmeldungen erhalten.
Aber auch „konservativere“ Formen der Arbeit im Fremdsprachenunterricht sind mit der KI möglich:
1. Materialerstellung: Die KI liefert Beispiele für Einleitungssätze, Pro- und Contra-Argumente sowie idiomatische Wendungen. Diese Inhalte dienen der Lehrkraft als Grundlage, um differenzierte Aufgaben für unterschiedliche Leistungsniveaus zu entwickeln.
2. Aussprachetraining: Parallel dazu nutzen die Lernenden eine App wie Duolingo oder Elsa Speak, um ihre Aussprache zu üben. Diese Apps analysieren die Aussprache und geben personalisierte Verbesserungsvorschläge.
3. Interaktive Aufgaben: Für die Schreibphase nutzen die Lernenden ein KI-gestütztes Schreibprogramm wie Grammarly oder Write & Improve (Cambridge), das in Echtzeit Feedback zur Grammatik, Wortwahl und Stilistik gibt. Die Lehrkraft kontrolliert und kommentiert die finalen Texte, um persönliche Fortschritte zu begleiten.
4. Überprüfung von Übersetzungen: Längst nutzen die Lernenden Übersetzungstools wie „DeepL“. Anstatt ihnen dies zu verbieten, ist es sinnvoll, diese gemeinsam zu nutzen und, anstatt die konkrete Übersetzung zu fordern, die Aufgabe zu geben, die Übersetzung zu reflektieren oder weitere mögliche Übersetzungen einander gegenüberzustellen.
Weitere Tipps für die Anwendung von KI im Fremdsprachenunterricht
1. Wörter und Sätze kontextualisieren: Nutzen Sie Tools wie DeepL Write, um idiomatische Wendungen und Satzstrukturen für bestimmte Themen zu generieren.
2. Individuelles Feedback: Lassen Sie Lernende mit Grammarly oder Write & Improve ihre Texte analysieren und besprechen Sie typische Fehler im Plenum.
3. Interaktive Übungen: Plattformen wie Quizlet AI können Wortschatzübungen personalisieren, basierend auf den individuellen Stärken und Schwächen der Lernenden.
4. Kollaboratives Schreiben: Setzen Sie ChatGPT ein, um gemeinsam in der Klasse Texte zu erstellen. Beispielsweise können Schüler Satzvorschläge in die KI eingeben und das Ergebnis kritisch reflektieren.
Checkliste für Lehrkräfte
- Ziele definieren: Welche Fähigkeiten sollen gefördert werden (z. B. Schreiben, Aussprache, Vokabeln)?
- KI-Tools wählen: Welche Tools passen zu meinen Zielen und den Bedürfnissen meiner Lernenden? (z. B. Grammarly, Duolingo, ChatGPT)
- Datenschutz beachten: Sind die gewählten Tools datenschutzkonform? Kann die Nutzung anonymisiert erfolgen? (Falls dies nicht der Fall ist, kann es auch „über Bande“ funktionieren, indem die Lernenden etwas digital vorbereiten und die Lehrkraft die Arbeit mit der KI durchführt).
- KI-Ergebnisse reflektieren: Wie lassen sich die generierten Inhalte didaktisch sinnvoll einbetten?
- Feedback einplanen: Wie kombiniere ich KI-gestütztes Feedback mit meiner eigenen Expertise? Der Vorteil: Ein erstes KI-Feedback bietet die Möglichkeit, das anschließende Lehrerfeedback sehr viel genauer an den Lernfortschritt anzupassen.
- Lernfortschritte überprüfen: Werden die Lernziele durch den KI-Einsatz erreicht? Was muss angepasst werden?
Perspektive der Lernenden
Aus der Sicht der Lernenden bietet KI die Chance, eigenständig zu lernen und sofortiges Feedback zu erhalten. Dies fördert die Motivation und Eigenverantwortung. Gleichzeitig benötigen sie Anleitung, um KI sinnvoll zu nutzen und kritisch zu hinterfragen. Denn ansonsten kann KI auch eingesetzt werden, um die Lehrkraft – und vor allem sich selbst – zu täuschen. Die Rolle der Lehrkraft bleibt deshalb essenziell: Sie begleitet den Lernprozess, ordnet Ergebnisse ein und setzt Schwerpunkte.
Fazit
KI kann das Fremdsprachenlernen und -lehren erheblich bereichern, indem sie Routineaufgaben erleichtert und differenziertes Lernen ermöglicht. Lehrkräfte gewinnen Zeit für kreative und zwischenmenschliche Aspekte des Unterrichts. Entscheidend ist dabei, KI als Werkzeug zu verstehen, das didaktisch reflektiert und verantwortungsvoll eingesetzt wird. Mit den richtigen Strategien und Tools können sowohl Lehrkräfte als auch Lernende von dieser digitalen Partnerschaft profitieren.
Bob Blume ist Lehrer, Blogger, Podcaster und Bildungsinfluencer.
Er studierte Germanistik, Anglistik sowie Geschichte und arbeitet nun als Oberstudienrat an einem Gymnasium in der Nähe von Baden-Baden. Daneben schreibt er Fachbücher zum Lernen im digitalen Wandel und macht in den sozialen Medien auf Bildungsthemen aufmerksam. Zudem ist Bob Blume ein gefragter Experte in der deutschen Medienlandschaft zum Thema Schule. Bei der Verleihung der Goldenen Blogger 2022 wurde er als Blogger des Jahres ausgezeichnet.
