Sprachliche und kulturelle Diversität im Spanischunterricht

Einleitung

Christiane Fäcke, Kerstin-Sabine Heinen-Ludzuweit, Jochen Plikat, Markus Steinhoff

1.    Einleitung: Aspektualität und Aspekt

Unter Aspektualität versteht man in der Sprachwissenschaft „die kognitive Domäne, welche die zeitliche Struktur von Situationen betrifft“ (Lehmann o. J.). Es geht also bspw. darum, ob eine Situation punktuell oder andauernd ist, ob sie neu einsetzt, sich wiederholt oder abgeschlossen ist.

Natürliche Sprachen verfügen über verschiedene Möglichkeiten, Aspektualität auszudrücken, z. B. als lexikalischen Aspekt (etwa dt. wissen vs. erfahren, d. h. beginnen, etwas zu wissen) oder als grammatikalisch-morphologischen Aspekt (etwa durch Einsatz von Präfixen). Dies gilt auch für das Deutsche, obwohl es vielen Sprechern nicht bewusst ist (z. B. trinken vs. austrinken).

Bei der Aspektualität handelt es sich somit um eine wichtige kognitive Domäne. Sie erfährt jedoch, ganz im Gegensatz zu Temporalität und Modalität, bei der Vermittlung germanischer und romanischer Sprachen bisher wenig Beachtung. Dies ist eine verpasste Gelegenheit, denn ihre Berücksichtigung könnte z. B. im Spanischunterricht zu einem vertieften Verständnis insbesondere der als ‚schwierig‘ geltenden Vergangenheitszeiten beitragen. Bei diesen fallen Temporalität und Aspektualität zusammen.

Herkunftssprecher einer slawischen Sprache verfügen hier über eine erhebliche sprachliche Ressource, da der Aspekt beim Verbalsystem (v. a.: ost- und west-)slawischer Sprachen im Mittelpunkt steht. Daher bietet es sich an, diese Ressource auf Grundlage einer slawischen Herkunftssprache zu erschließen, und zwar allgemein bei der Reflexion über Aspektualität und besonders bei der Vermittlung der spanischen Vergangenheitszeiten. Ein solches Vorgehen wird im vorliegenden Beitrag exemplarisch anhand von Praxisbeispielen mit Bezug zum Ukrainischen und Polnischen vorgestellt.

2.    Strategie

In der Fachwelt herrscht große Einigkeit darüber, dass Grammatik im Fremdsprachenunterricht eine dienende Funktion haben soll. Weiterhin wird davon ausgegangen, dass Sprachverwendung in hohem Maße auf Grundlage von lexiko-grammatischen Mehrworteinheiten (chunks) basiert. Gleichwohl ist es punktuell sinnvoll, grammatische Strukturen zu reflektieren, nicht zuletzt auch durch Erschließung mehrsprachiger Ressourcen.

Die Sprachlernstrategie des interlingualen Vergleichs basiert auf der Analyse und dem Vergleich von divergenten und analogen Sprachstrukturen zwischen bereits bekannten Sprachen und der zu erlernenden Fremdsprache. Dies ermöglicht es den Lernenden, Parallelen und Unterschiede in den grammatischen Regeln zu erkennen, was ihr Verständnis aller beteiligten Sprachen und nicht zuletzt ihre Sprachbewusstheit fördert.

Die Vorteile dieser Strategie im plurilingualen Spracherwerb sind vielfältig: Lernende können durch die Reflexion über analoge Strukturen ihr Wissen aktiv nutzen und sich bewusst mit abweichenden Regelungen auseinandersetzen. So werden z. B. die Regeln zur Verwendung der bestimmten und unbestimmten Artikel im Spanischen von Sprechern des Deutschen intuitiv weitgehend korrekt transferiert und müssen nur bei bestimmten Sonderfällen thematisiert werden (z. B. medio kilo de café, abweichend vom Deutschen ohne unbestimmten Artikel). Ähnliches gilt für Herkunftssprecher slawischer Sprachen im Hinblick auf den Aspekt.

3.    Beispiele

In den beigefügten Download-Materialien (Material 7 – Polnisch; Material 8 - Ukrainisch) finden Sie in verständlicher Weise verfasste weitere Informationen zum Aspekt als wichtige grammatische Kategorie. Weiterhin finden Sie praxisbezogene Aufgabenstellungen und Materialien, differenziert nach den Herkunftssprachen Ukrainisch und Polnisch.

Lehmann, Christian (o. J.): Aspektualität. Online:
https://www.christianlehmann.eu/ling/lg_system/sem/aspektualitaet.php (abgerufen am 18.11.2024).