Klett Akademie für Fremdsprachendidaktik

Wortschatz mit elektronischen Wörterbüchern weiterentwickeln

von Bärbel Diehr

Das Ende der Herstellung gedruckter Wörterbücher ist absehbar, nachdem bereits etliche Verlage ihre lexikografischen Produkte und Nachschlagewerke nur noch online anbieten. Für eine Übersicht sei hier auf Recherchen von Nesi (2015) und Töpel (2015) verwiesen. Anhand der bildungspolitischen Rahmung lässt sich erkennen, dass der Umgang mit digitalen Hilfsmitteln, insbesondere Wörterbüchern, in der Schule erlernt und geübt werden soll (vgl. KMK 2012; vgl. z.B. MSJK NRW 2004).

Der Einsatz eines Wörterbuchs …
… intensiviert das individualisierte Arbeiten, weil jede Schülerin und jeder Schüler Unterstützung für eigene Aussageabsichten findet.
… macht Lernenden die herausragende Bedeutung des Wortschatzes beim Fremdsprachenlernen bewusst.
… erleichtert das Verstehen nicht-didaktisierter Texte, insbesondere digitaler Texte aus dem Internet.
… fördert die selbstständige, von der Lehrperson unabhängige Textarbeit sowohl beim Lesen wie beim Schreiben.
… stärkt das Selbstvertrauen der Lernenden, fremdsprachliche Aufgaben und Probleme eigenständig lösen zu können.
… leistet einen Beitrag zur Entwicklung von Methoden- und Medienkompetenz, wenn die Fähigkeit des Suchens und Findens systematisch trainiert wird.

Die Möglichkeiten zur Wortschatzarbeit durch die Nutzung des Internets und mithilfe von Apps sind in jüngster Zeit deutlich gestiegen (z.B. https://www.phase-6.de/ oder https://quizlet.com/de). Selbst wenn die verschiedenen Neuerungen am häuslichen PC, auf dem Smartphone und im Unterricht zum Einsatz kommen, tritt spätestens bei schulischen Leistungserhebungen und Tests eine Diskrepanz zutage: Internetfähige Geräte können zum Lernen verwendet werden, in Prüfungen sind sie jedoch aufgrund der Gefahr von Leistungsverzerrungen und Täuschungen nicht zugelassen. Die portablen elektronischen Wörterbücher (PEW), die auch als handheld electronic dictionaries bekannt sind, stellen für dieses Problem einen Kompromiss dar, der dazu geführt hat, dass verschiedene Bundesländer (Bremen, Niedersachsen, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen) PEW als Hilfsmittel in zentralen Prüfungen zu lassen.

Abbildung_PEW

Bildquelle: shutterstock (George Dolgikh), New York, NY

Die Funktionsweise von PEW ist der von internetfähigen Wörterbüchern sehr ähnlich, sie lassen sich leicht und schnell bedienen und sie können aufgrund ihrer Größe und ihres Gewichts wie ein Smartphone in der Schultasche oder Jackentasche untergebracht werden. PEW sind allerdings nicht mit dem Internet verbunden und zählen genau genommen zu den retrodigitalen Wörterbüchern (Harm 2001: 208), bei denen sich die elektronische Fassung nicht von der gedruckten unterscheidet.

Wörterbücher stehen in fast unüberschaubarer Zahl digital zur Verfügung, und zwar als frei zugängliche sowie als zahlungspflichtige Angebote, als Apps sowie in Downloadbereichen von Verlagen. Hieraus ergibt sich als eine grundlegende Aufgabe des Fremdsprachenunterrichts der Anspruch, Schülerinnen und Schüler zur Auswahl geeigneter und qualitativ hochwertiger lexikographischer Hilfsmittel zu befähigen. Eine Übersicht über eine Auswahl einsprachiger und zweisprachiger Online-Wörterbücher sowie Hinweise zur Prüfung ihrer Qualität enthält der Beitrag „Die Wörterbuchrevolution. Welchen Nutzen haben Online-Tools für die Schule?“ (Siepmann 2012: 38-42).

Tipps zur Auswahl von portablen elektronischen Wörterbüchern hält der Beitrag „Ein elektronisches Wörterbuch auswählen“ (Gießler/Kassel 2012: 43-45) bereit.

Bisher ist wenig darüber bekannt, in welchem Ausmaß, auf welche Weise und mit welchem Erfolg elektronische Wörterbücher in deutschen Schulen zum Einsatz kommen. Die meisten Studien zu PEW  stammen aus Asien, zahlreiche weitere aus Australien und Großbritannien. Da Wörterbücher jedoch zu den wichtigsten Standardhilfsmitteln des Fremdsprachenlernens zählen, lohnt es sich, die vorliegenden Erkenntnisse zu PEW kritisch in Augenschein zu nehmen.

In der Wissenschaft gilt das lernförderliche Potenzial von Wörterbüchern mit Blick auf den Wortschatz (vgl. z.B. Nation 2010: 252f.), insbesondere auch das Potenzial von portablen elektronischen Wörterbüchern (PEW), als erwiesen. Folgende ausgewählte Studien sind wegen ihrer fremdsprachendidaktischen Relevanz für interessierte Leserinnen und Leser sehr zu empfehlen:

Forschungsergebnisse zu PEW

Wie die Erkenntnisse aus den verschiedenen Studien zeigen, können Online Wörterbücher und PEW lernförderlich und motivierend im Englischunterricht eingesetzt werden. Lernende produzieren häufig eigene Texte, für die sie lexikalische Hilfen benötigen. Bei ihrem Rückgriff auf digitale Hilfsmittel zeigt sich jedoch, dass sie insbesondere Übersetzungsdienste und zweisprachige Wörterbücher unkritisch nutzen und von einer simplen Äquivalenz (Gleichwertigkeit der Bedeutung beispielsweise von ‚frei‘ und ‚free‘) ausgehen. Deshalb folgt hier ein Vorschlag für eine Aufgabe (s. Arbeitsblatt Task 1), die Lernende befähigen soll, die Grenzen digitaler Übersetzungsdienste und damit das Problem der Äquivalenz bzw. der fehlenden und der partiellen Äquivalenz selbstständig aufzudecken.

Die Aufgabe kann auch in die andere Übersetzungsrichtung durchgeführt werden, wenn z.B. ein authentischer englischer Text ins Deutsche übersetzt wird. Wenn dabei Sätze entstehen, die im Deutschen schwer verständlich sind oder keinen Sinn ergeben, sensibilisiert diese Übung die Lernenden dafür, dass ein simples Wort-für-Wort Übersetzen nicht angemessen ist.  Der untenstehende Satz fand sich auf der Homepage der englischsprachigen Online Kinderzeitung FirstNews und warb um junge Abonnenten:

There’s so much covered in every issue that you’ll be hard pushed not to find something to fascinate every curious mind: space dust found on the rooftops of Paris, rhinos smelling poop to send messages to each other, and are children really working longer hours than adults? (https://www.firstnews.co.uk/, Zugriff 20.10.2017)

Die automatisierte Übersetzung eines gängigen Online Übersetzungsservices verkehrt gleich die erste Hälfte des Satzes in ihr Gegenteil: „Es gibt in jeder Ausgabe so viel, dass Sie kaum etwas finden werden, um jeden neugierigen Geist zu faszinieren“. Und der Nashornkot, der in der zweiten Hälfte des englischen Satzes beispielhaft erwähnt wird, wird in der deutschen Übersetzung gleich lexikalisch weggeräumt: „Nashörner riechen sich gegenseitig, um Nachrichten zu senden“.
Hilfreiche Tipps in englischer Sprache zum Umgang mit Übersetzungssoftware bietet z.B. der British Council auf seinen Seiten an: Great Idea: Bilingual dictionaries and translation software. (https://www.teachingenglish.org.uk/article/using-dictionaries).


 Arbeitsblatt Task 1 (DOCX)

Die zweite Aufgabe eignet sich, um mit Englischlernenden den Einsatz portabler elektronischer Wörterbücher zur Erschließung idiomatischer Ausdrücke zu trainieren. Gleichzeitig schult sie das Hörverstehen und regt zu einer kritischen Reflexion über den Gebrauch des Smartphones und die Auswirkungen der Digitalisierung an. Die Aufgabe beruht auf einem Kurzfilm, der von der privaten britischen Organisation Digital Awareness UK zusammen mit HMC, der Vereinigung von Schulleiterinnen und Schulleitern, zur Abhängigkeits-Prophylaxe produziert wurde und in Schulen zum Einsatz kommen soll, um Kinder und Jugendliche vor digitalem Suchtverhalten zu warnen und den verantwortungsbewussten Umgang mit Medien zu unterstützen. Mit fortgeschrittenen Lerngruppen bietet sich zudem eine medienkritische Analyse des Clips und seiner Wirkung an.


 Arbeitsblatt Task 2 (DOCX)

Um die Selbstständigkeit der Lernenden im Gebrauch eines bilingualen elektronischen Wörterbuchs zu fördern, bedarf es gelegentlich einer Erinnerungsstütze. Das untenstehende Poster kann im Klassenraum aufgehängt und den Lernenden digital für den häuslichen Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden. Ein kurzer Blick auf diese fünf Grundprinzipien der Wörterbuchnutzung hilft ihnen, sich an Strategien und Leitlinien zu erinnern, die sie im Unterricht kennengelernt haben und deren Einsatz sie möglichst eigenständig einüben sollten.


 How to make the most of your bilingual PED (DOCX)