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Gute Wege gegen Unterrichtsstörungen

(sl) Eine gute Beziehung zu den Lernenden und motivierender Unterricht sind das beste Mittel gegen Störungen im Klassenzimmer. Das und mehr verrät der ehemalige Schulleiter und heutige Schulberater Thomas Klaffke.

Dürfen Seiteneinsteigende auf das Wohlwollen der Lernenden bauen, dass sie den Unterricht schon nicht stören werden? Alleine aufs Wohlwollen und darauf, dass sie nicht stören, die neue „Kraft“ nicht ausloten wollen, würde ich nicht setzen. Auch Seiteneinsteigende müssen sich den für einen erfolgreichen Unterricht erforderlichen Respekt erarbeiten. Wie sich das Verhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden entwickelt, hängt unter anderem wesentlich vom persönlichen Auftritt der Seiteneinsteigenden, wie auch bei jeder anderen Lehrkraft, ab. Wenn sie freundlich, zugewandt, aber auch klar in den Aussagen und Strukturen agieren, ist die Basis für ein gutes Miteinander gelegt. Wichtig ist daher, stets an der eigenen Präsenz weiterzuarbeiten und sich selbst weiterzuentwickeln.

Leichter gesagt als getan. Worauf müssen Seiteneinsteigende achten und was stärkt die eigene Präsenz? Das kann man üben. Es gibt inzwischen viele Angebote, die einen unterstützen, die Stimme, die Kommunikation, die Körpersprache, die Klarheit, ja die Präsenz in der Klasse zu trainieren. Lernende spüren, ob ich ihnen etwas vorspiele oder ob ich so bin wie ich mich gebe. Wenn ich eine gute Spur Humor an den Tag lege und nicht bei jeder Kleinigkeit aus der Haut fahre, bringt mir das schon Pluspunkte. Anbiedern bringt nichts, auch nicht, wenn es darum geht, mit Unterrichtsstörungen umzugehen.

Von wem können Seiteneinsteigende lernen? Sie tun gut daran, sich im Kollegium umzuhören, wie andere Lehrkräfte mit Störungen umgehen, wie sie reagieren, wann sie wie einschreiten. Mit ihnen sollten sie sprechen, am besten sogar darum bitten, bei Ihnen hospitieren zu können. Aber ich sage auch: Jede und jeder muss seinen eigenen Weg finden, nur nachahmen wirkt nicht authentisch. Und: Man lernt das am besten in der Praxis und voneinander, nicht aus Büchern. Ich weiß, dass inzwischen viele Schulen den Weg der gegenseitigen Hospitation, aber auch der Supervision gehen. Und wenn nicht, sollten sie den Mut haben, danach zu fragen.

Gibt es Vorbilder außerhalb der Schule?

Ich empfehle gerne, sich das Verhalten von Schiedsrichter:innen auf dem Fußballplatz anzuschauen. Wirken sie souverän oder bringen sie durch permanentes Wedeln mit gelben und roten Karten Chaos auf den Platz? Kriegen sie das Gleichgewicht hin zwischen „laufen lassen“ und nicht zuviel durchgehen zu lassen? Wie interagieren sie mit den Spieler:innen? Sind sie präsent oder ziehen sie den Kopf ein? Ich will jetzt gar keine Namen nennen, Seiteneinsteigende können sich an jedem Wochenende selbst ein Bild davon machen.

Was heißt das für mich als Seiteneinsteiger:in?

Man kommt in einer Klasse und im Unterricht schnell in Stress. Es ist mitunter laut, die Kinder und Jugendlichen lenken sich gegenseitig ab, sind unkonzentriert und manche wollen vielleicht auch durch Störungen auffallen. Dann kommen bei allem Vorsatz, Dinge anders zu machen als man selbst in der Schule erlebt hat, die Erinnerungen an die erfahrenen Muster hoch. Man schreit, wird vielleicht sogar ungerecht, verliert den Faden und die Souveränität.

Wie kann man sich darauf vorbereiten, um auch bei solchen Störungen ruhig, gelassen und doch klar zu bleiben?

Im optimalen Fall haben die Seiteneinsteigenden schon in ihrem früheren Beruf den Umgang mit Stress gelernt. Übungen zur Selbstregulation bieten heute viele Fortbildungsreihen. Wie aber sieht eine für beide Seiten angemessene Reaktion aus? Wichtig ist, dass man über einen guten Selbstkontakt verfügt, dass man ein gutes Körpergefühl entwickelt und sich bewusst darüber ist, wie man agiert. Ich darf mich, zumindest in der Regel, nicht persönlich angegriffen fühlen. Auf Störungen reagiert man am besten, in dem man kurz innehält und überlegt, welche Reaktion angebracht ist. Schuldzuweisungen und Beschimpfungen oder in, den Kampf zu gehen, sollte man unbedingt vermeiden. Besser ist, der Person, die stört, deutlich seine Missbilligung auszudrücken, zu zeigen, dass man das Verhalten nicht akzeptiert. Etwa so: „Ich will Dein/Ihr Verhalten nicht hinnehmen, möchte aber zum Unterricht zurückkommen und eine gute Arbeitsatmosphäre wiederherstellen. Ich möchte mit Dir/Ihnen nach der Stunde darüber sprechen.“

Und wenn mir doch der Kragen platzt?

Es gibt zwei klare Momente bei denen ich mich erklären oder sogar entschuldigen sollte. Wenn ich den Lernenden fachlich etwas Falsches gesagt habe, muss ich das richtigstellen. Wenn ich einen persönlichen Fehler begangen, mich im Ton vergriffen habe oder sogar übergriffig geworden bin, verbal oder körperlich durch einen Schubser, sollte ich mich in aller Form entschuldigen. Das sollte kurz und knapp geschehen Aber das Ganze hat auch Grenzen. Es darf nicht dazu kommen, dass ich mich 17mal pro Stunde entschuldigen muss. Wenn ich aber so viele Fehler begehe… Dann benötige ich dringend Beratung. Etwa vom Kollegium oder im besten Fall eine/n Mentor:in. Ich sollte mich dann aber auch fragen, ob der Beruf wirklich etwas für mich ist. Gleichzeitig sollte ich die Flinte nicht zu schnell ins Korn werfen. Viele Seiteneinsteigenden sind hoch qualifiziert, bringen mitunter die notwendige Lockerheit mit.

Das beste Gegenmittel gegen Störungen ist…

…sich immer die zentralen Fragen zu stellen: Was ist das Thema? Welche Zielgruppe habe ich vor mir? Wie bringe ich das Thema anschaulich und motivierend rüber? Und wie aktiviere ich die Gruppe und texte sie nicht zu, auch wenn ein guter Kurzvortrag durchaus seinen Stellenwert hat. Unterrichtsstörungen lassen sich am besten durch eine gute Beziehung zu den Lernenden und einen motivierenden Unterricht vermeiden.

Zur Person Thomas Klaffke war fast 40 Jahre als Haupt- und Realschullehrer und Schulleiter an einer Grund-, Haupt- und Realschule tätig und ist nun Autor, Schulberater und Fortbildner.