Vom Seiteneinstieg zur Schulleiterin

(sl) Seiteneinsteiger:innen ins Lehramt werden oft kritisch beäugt. Manche geben auf. Viele andere aber folgen ihrer Berufung und Leidenschaft. Und machen Karriere. Wie Christina Feldmann. Sie leitet inzwischen eine Grundschule.

Eine Empfehlung klingt anders. „Sie sagen ja viel, aber leider nicht zum Thema“, attestierte die Lehrerin im Deutsch-Leistungskurs der jungen Christina Feldmann. Sonderlich geschockt war die Jugendliche damals eher nicht. Denn auch heute, mit 45 Jahren, gesteht sie offen: „Auf Schule hatte ich keine Lust.“ Mit einer guten Portion Humor und Ironie mag man die Frage anschließen, was da wohl näher lag als vom Beruf als Lehrerin zu träumen.

Doch genau das tat die im niedersächsischen Celle geborene Christina Feldmann. Und landete tatsächlich an einer Schule. Mit Umwegen und als Seiteneinsteigerin. Inzwischen leitet sie die Grundschule Bothmer in der Gemeinde Schwarmstedt. Wer sie in ihrem beruflichen Alltag erlebt und mit ihr spricht, spürt, hier hat jemand seine Berufung zum Beruf gemacht.

„Tu Dir das nicht an“

Doch der Reihe nach. Den Weg in die Schule riet ihr niemand. Auch nicht die eigene Mutter, eine erfahrene Pädagogin: „Tu Dir das nicht an.“ Und schon gar nicht ihr Berufsberater. Mit Blick auf ihren zu erwartenden Notendurchschnitt und den hohen Numerus clausus, der die Tür zum Lehramtsstudium für die Sekundarstufe 1 in den alten Bundesländern öffnete, meinte er: „Sie wollen doch wohl kaum in den Osten…“ Dort reicht ein schlechterer NC.

Christina Feldmann verabschiedete sich erst einmal vom Traumjob. Okay, dachte sie sich, in Mathe und Zeichnen bist Du ganz gut. Einem Architekturstudium stand wieder das Wort mit zwei Buchstaben im Weg – der NC. Die junge Frau forschte nach Alternativen und landete im Bauingenieurwesen. Doch das Herzblut blieb auf der Strecke. Im Studium, aber auch in den Jahren der sich anschließenden Festanstellung. Christina Feldmann litt im wahrsten Sinne des Wortes. Ihr Körper signalisierte ihr täglich die bitterböse Frage: „Was machst Du da?“ Denn der Traum von der Arbeit mit Kindern schlummerte nach wie vor in ihrem Herzen. Christina zog die Reißleine.

Der Berufung folgen

„Es war wohl eine äußerst glückliche Fügung, dass zu der Zeit als ich mich entschloss, als Seiteneinsteigerin in die Schule gehen zu wollen, der Lehrermangel in technischen Berufen groß war.“ Trotzdem erhielten gerade einmal 30 Interessenten die Chance zum Quereinstieg. 3000 bewarben sich. Im Nachhinein wundert sich die Mutter zweier Kinder, dass sie den Zuschlag bekommen hatte. Angesichts ihrer Ausbildung und ihrer Festanstellung hörte sie schließlich beim Vorstellungsgespräch den Hinweis: „Sie brauchen den Job doch gar nicht…“

Christina Feldmann dürfte überzeugend gewesen sein. Das Feuer, das offensichtlich in ihr für die Lehrertätigkeit brannte, strahlte zu stark. Dem Seiteneinstieg stand nichts mehr im Wege, der eigenen Gesundheit auch nicht. Entsprechend fällt ihre Empfehlung für andere aus, die ebenfalls mit dem Gedanken spielen, ihr Heil im Lehrberuf zu suchen. „Man muss diese Berufung spüren, muss sich wünschen, mit jungen Menschen zu arbeiten, für sie da zu sein, sie zu unterstützen, wenn es einmal nicht rund läuft. Dann ist alles möglich“, strahlt sie. Was sie nicht selbst erwähnt, aber gesagt werden muss: mit Leidenschaft, Begeisterung, Mut und der Fähigkeit zu kommunizieren, ist es sogar möglich, bis zur Leitung einer Schule aufzusteigen.

Selbstzweifel aushalten

Dabei möchte sie nicht verschweigen, dass der Weg dorthin keinem roten Teppich gleicht. Sie weiß um das Bild, das häufig durch Vorurteile verursacht, in Schulen von Quereinsteiger:innen kursiert. „Damit muss man umgehen können, muss auch den Mund aufmachen“, rät sie. Schließlich schlage die Erfahrung in einem anderen Beruf positiv zu Buche. Sie weiß um die eigenen Zweifel: „Werde ich den Herausforderungen gerecht?“ Damit Letzteres gelingen kann, sind ihrer Meinung nach nicht nur ein pädagogisches Seminar und die Bereitschaft der Schulleitung, Quereinsteiger:innen nicht direkt unbegleitet als “volle“ Lehrkraft einzusetzen, unabdingbar. Es bedarf auch eines Teachings.

„Suchen Sie sich eine Schule, die das garantiert“, schlägt sie vor und sagt treffend: „Ins kalte Wasser geworfen zu werden, ist falsch und gefährlich. Ich operiere ja auch nicht zu Beginn meines Medizinstudiums.“ Sie kennt die Ansprüche, die im Kollegium, besonders aber auch im Klassenzimmer herrschen. Beziehungen herstellen, sei eine der wichtigsten Aufgaben, weiß sie. An der Hauptschule an der sie zunächst im Referendariat Erfahrungen sammelte sowie als abgeordnete Lehrerin am Regionalen Umweltbildungszentrum wuchs diese Erkenntnis.

Unterstützung einfordern

Die Hauptschule war eine lehrreiche Zeit. Doch irgendwann tickte die Uhr nicht mehr im Herzschlag Christinas Feldmanns. Die „Umwandlung“ zur Oberschule, die gleichzeitige Rolle als Koordinatorin für Nachhaltige Schülerfirmen und die inzwischen um Sohn Ruven bereicherte Familie ließen sie erkennen: „Ich bin an vielen Orten, aber nirgendwo richtig.“ Bis zu jenem „verhängnisvollen“ Tag als 2015 der Abend für die Eltern der Klasse ihres Sohnes anstand. Dort hörte sie mit großen Ohren und leuchtenden Augen: „Wir suchen eine Schulleitung.“ Christina Feldmanns Berufung flammte wieder auf: „Nicht nur unterrichten, Schule maßgeblich gestalten zu können – das ist es“, sagte sie sich und ihrem Ehemann. Von dessen überwiegend scherzhaft geäußerten Drohung: „Dann lasse ich mich scheiden“ ließ sich die damals 38-Jährige nicht verschrecken. Sie bewarb sich. Ein Jahr später übernahm sie die Leitung der Grundschule Bothmer. Die Ehe hält bis heute.

Anderen potenziellen Seiteneinsteiger:innen möchte sie mit auf den Weg geben, in sich hineinzuhören, ob sie die Arbeit als Lehrkraft erfüllt, und aufzugeben, wenn erste Zweifel an einem nagen. Und sie sagt: „Holen Sie sich Unterstützung, überall, in der Familie, bei Freunden, in der Schule.“

Kompakt

Die Bundesländer suchen händeringend Lehrer:innen. Und so werben Sie um Interessenten, auch um jene außerhalb Deutschlands. Ein Beispiel aus Niedersachsen:

Hier schreibt das zuständige Ministerium: „Sportlehrerin in Polen? Musiklehrer in Irland? Physiklehrerin in Italien? Lehrkraft für Fremdsprachen aus England, Frankreich oder Spanien?

Sind Sie außerhalb Deutschlands für den Beruf Lehrerin oder Lehrer ausgebildet worden und haben bereits unterrichtet? Bringen Sie Ihre pädagogisch-didaktischen und interkulturellen Kompetenzen für unsere Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen ein.

Informieren Sie sich über Wege, Ihre Lehramtsausbildung für den Niedersächsischen Schuldienst anzuerkennen. Wir beraten Sie, wie Sie fehlende Voraussetzungen für den Lehrberuf in Niedersachsen erwerben können.