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Medienkompetenz und Social Media – untrennbar verbunden?

(sl) Im Land der Dichter und Denker hinkt die Nutzung von Digitalen Medien hinterher. Für viele Referendarinnen und Referendare eine bekannte, dennoch aber herausfordernde Situation.

Mathe, Deutsch, Physik, Chemie, Sport und Musik und so weiter und so fort. Die Liste der Fächer, die seit jeher fest in den Kernlehrplänen deutscher Schulen verankert sind, ist lang. Doch Medienkompetenz oder gar Social Media werden zwar an nahezu jeder Schule in die eigenen Profile aufgenommen. Nach wie vor hängt es von der Initiative Einzelner ab, welch Zeit und Raum ihnen gewidmet werden. Irma und Rodrigo mögen stellvertretend für die These stehen. Irma (17) besucht ein Gymnasium in Hamburg.

Bei der Erinnerung an die Heranführung an Medienkompetenz schmunzelt sie: „Ja, da war mal was. Ein Projekt in der sechsten Klasse.“ Auf gut Deutsch: Nachdrückliche Spuren hat es nicht hinterlassen. Ein wenig sarkastisch fügt die Schüler:in, die selbst auf Instagram unterwegs ist, hinzu: „Außer unseren Referendar:innen hätte uns auch niemand etwas beibringen können. Wir wissen meistens besser Bescheid als unsere Lehrer:innen.“

Ähnlich argumentiert Rodrigo (16), der eine weiterführende Schule in Sachsen besucht: „Die Initiative in unserer Stufe ging auch von einer Referendarin aus. Doch da war es eigentlich schon zu spät. Wir haben durch Erfahrung gelernt. Aber sie hat uns schon ein paar wichtige Dinge mit auf den Weg gegeben.“ Er denkt beispielsweise an den Datenschutz: „Der hat uns bis dahin eher weniger interessiert.“

Zielführendes Arbeiten mit Medien

Viele aus der nachwachsenden Generation der Lehrkräfte freuen solche Lobeshymnen zwar, doch der reduzierte Stand der Mediendinge in „ihren“ Schulen lässt sie nachdenklich zurück. „Medienkompetenz zu vermitteln, heißt auch, die Schüler:innen auf ihr ,Leben´ in den Sozialen Medien vorzubereiten. Bei uns an der Schule geschieht dies eher zufällig und weil es zum guten Ton gehört. Richtig dahinter steht das Kollegium leider nicht“, sagt Stefan. Er ist an einer weiterführenden Schule in München tätig. Seinen kompletten Namen will er lieber nicht erwähnt wissen. So wie er wissen die meisten: Schulen sollen Medienkompetenz vermitteln, von müssen ist selten die Rede.

Doch nicht überall geht es so reduziert zu wie an dieser Schule im Süden Deutschlands. Der emeritierte Professor am Institut für Schulentwicklungsforschung in Dortmund, Hans-Günter Rolff, verweist auf das Theodor-Heuss-Gymnasium Göttingen sowie das Evangelisch Stiftische Gymnasium in Gütersloh. Beide gelten als vorbildlich in Sachen Heranführen an Medienkompetenz. Sie haben sich dem zielführenden Arbeiten mit Medien im Bildungskontext verschrieben.

Feedback via Smartphone

Der Schulleiter des Göttingen Gymnasiums, Martin Fugmann, entwickelte gemeinsam mit dem stellvertretenden Leiter der Deutschen Auslandsschule im Silicon Valley, Sebastian Geus, das Lernmanagementsystem „Networked Educational Resources for Device-aided Learning“ (NERDL). Die Lehrkräfte planen ihre Unterrichtsstunden mithilfe eines Stundeneditors. Er erlaubt es ihnen, Schüler:innen auf Knopfdruck Aufgaben individuell zuzuwei-sen und so differenziertes Arbeiten zu ermöglichen, Gruppen- und Expertenpuzzle anzulegen, Hausaufgaben zu stellen oder etwa Dateien hochzuladen.

Ein Rating-Werkzeug fordert die Schüler:innen dazu auf, Feedback zu Beiträgen ihrer Mitschüler:innen zu geben und zu kommentieren. Sie kommunizieren auf einem Forum untereinander und mit den Lehrkräften.

Hans-Günter Rolff weiß, dies sind Aushängeschilder, doch aus der Vielzahl der ihm bekannten Schulen weiß er auch: „Die Schulen, die ihre Schüler:innen bitten, per Handy ein Feedback zum Unterricht zu geben, steigt.“ Doch er kennt auch zahlreiche Einrichtungen, in denen der Einsatz des Smartphones nach wie vor tabu ist.

Ein Bildungsauftrag

Expert:innen sind sich einig, dass es wie bei so vielen Schulentwicklungsschritten häufig der Initiative Einzelner bedarf. Einzelner, die sich mobile Endgeräte nicht nur für den Einsatz im Unterricht vorstellen können und wünschen, sondern auch ihre Schüler:innen auf dem Weg in die Digitale (Lern)Welt begleiten wollen. Häufig sind es die Jüngeren, sprich Referendar:innen.

Doch darauf werden sie im Studium nicht vorbereitet. Theresa Cleven (26) stammt aus der Nähe von Heinsberg und ist aktuell Referendarin an der Ketteler-Grundschule in Bonn. Sie ist überzeugt: „Manche Kinder sind von ihren Eltern an den Umgang mit Medien herangeführt worden. Doch ich finde, es ist ein Bildungsauftrag und damit einer der Schule.“ Im Studium, so gesteht sie, hat sie darüber nichts gehört. „Deshalb werde ich mich selbst noch intensiver mit dem Thema beschäftigen, mich schlau machen“, kündigt sie an. Anderen Referendar:innen empfiehlt sie, sich untereinander auszutauschen, Erfahrungen zu kommunizieren.

Sie ist überzeugt, dass Medien und Social Media untrennbar miteinander verbunden sind und im vierten, spätestens fünften Schuljahr thematisiert werden sollten. Ihrer Ansicht nach kann dies in nahezu jedem Fach eingebunden werden. Einen Fortschritt hat sie ausgemacht. Als Referendarin muss sie in einer von zehn Stunden, in der ihre Arbeit unter die Lupe genommen wird, Medien einsetzen.

WhatsApp-Gruppen im Kollegium

Dass sich auch die Kommunikation nicht zuletzt durch Corona verändert und WhatsApp Gruppen im Kollegium so wie beispielsweise an der Kooperativen Gesamtschule im niedersächsischen Schwarmstedt üblicher werden, begrüßt sie. Zurückhaltend wäre sie als Referendarin jedoch, wenn sich an ihrer Schule das Kollegium dem Auftrag Medienerziehung skeptisch oder gar ablehnend gegenüber verhalten würde. „Ich weiß nicht, ob ich mir zutrauen würde, eine Veränderung anzustoßen. Deshalb würde ich damit bis zum Ende meiner Ausbildung warten.“ Grundsätzlich aber wünscht sie sich und damit auch von anderen jungen Lehrkräften, dass „sie Medienkompetenz unterrichten, da wir – von Ausnahmen abgesehen – wahrscheinlich doch näher an der Digitalen Welt der Kinder und Jugendlichen sind.“ Und so gehört sie fast selbstverständlich dem Digi-Team ihrer Schule an.

Eine Anlaufstelle für Kinder

Dass es als jüngerer Mensch automatisch besser gelingt, von den Schüler:innen akzeptiert zu werden, glaubt die Kommunikationsdesignerin Alina Plein (28) nicht. Für den Jugendfilmclub Köln leitete sie einen mehrtägigen Workshop rund um die Themen Medien und Social Media an einem Kölner Gymnasium. Sie erinnert sich: „Ein Erfahrener hätte wohl dank seiner Autorität Aufmerksamkeit wachgehalten.“ Ihr gelang es unter anderem, weil sie mit dem Hinweis punkte, selbst bei dem von Kindern aktuell geschätzten TikTok aktiv zu sein, vor allem aber, weil ihre Themen die Fünftklässler fesselten. Eines war der Umgang mit der klasseneigenen WhatsApp-Gruppe. Gemeinsam erarbeiteten die Schüler:innen ein für alle verbindliches Regelwerk.

Alina Plein ist überzeugt: „Kinder brauchen für ihre Fragen eine Anlaufstelle.“ Bei ihrer Tätigkeit hat sie erkannt, dass die Umsetzung häufig eine Frage der Zuständigkeit darstellt. Während viele Lehrkräfte der Meinung sind, es sei Aufgabe der Eltern, schöben diese den Schulen die Verantwortung zu. Alina Plein: „Und die müssen schauen, wo sie es unterbringen, denn der Lehrplan sieht es nicht explizit vor.“