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Social Media – der Teufel steckt im Detail

(sl) Sinnvolle Einsatzmöglichkeit? Gefahr für den Datenschutz? Zu große Nähe zu Schülerinnen und Schülern? Wenn es um den Umgang mit Sozial Media geht, stellen sich Referendarinnen und Referendare viele Fragen. Nicht überall finden sie Antworten.

Montagmorgen sind Schülerinnen und Schüler zu „nichts zu gebrauchen, lernen nicht gerne, sind todmüde“. Klagen viele Schulen. In Klasse 10 einer Gemeinschaftsschule in Schleswig-Holstein stellt sich die Szene anders dar. Die Jugendlichen fiebern der ersten Unterrichtseinheit geradezu entgegen. Mathe bei „ihrer“ Referendarin steht an. Doch es sind weniger die komplizierten Aufgaben, die sie fesseln. Nein. Montags wird erst einmal geplaudert.

Wer, wann, wo, was gemacht hat am Wochenende. Referendarin Heike (Name von der Redaktion geändert) erzählt gerne, lässt ihre Schülerinnen und Schüler an ihrem Leben teilhaben. Nicht nur im persönlichen Gespräch. Auch bei Instagram. „Ich habe bislang keine schlechten Erfahrungen damit gesammelt“, sagt sie. Die Jugendlichen nutzten die Nähe nicht aus. „Aber natürlich gebe ich nicht alles preis“, beteuert sie. „Aber viel“, fügt sie schmunzelnd hinzu.

Privates als Tabu im Netz

Die Zustimmung zu ihrem Verhalten hält sich in Grenzen. Im Kreis der „älteren“ Kolleginnen und Kollegen ohnehin. Doch auch Referendarinnen und Referendare zeigen sich skeptisch. Tabitha Göbel (28) kann zwar gut nachvollziehen, dass die Kollegin aus dem hohen Norden die Offenheit schätzt. Die Referendarin am Philipp Melanchthon Gymnasium in Gerstungen zieht ihrerseits aber klare Grenzen. „Ja“, sagt sie, „auch meine Schülerinnen und Schüler wissen sehr viel über mich. Aber ob es erzähle oder sie es als Bild und Wort im Netz sehen, ist ein großer Unterschied.“

Sie nennt als konkretes Beispiel ihr Hobby Bodybuilding. „Die Jugendlichen sollen keine Bilder davon sehen, wenn ich im Bikini und geschminkt pose. Wenn ich jemanden von ihnen im Schwimmbad im Badeanzug treffe, ist das was anderes – etwas Normales.“ Tabitha ist auf Instagram, Facebook und Snapchat unterwegs. Die Schüler wissen das, können ihr aber nicht folgen. Rund 80 würden es gerne. Doch ihre Anfragen nimmt sie nicht an.

Vorteil Offenheit

Aber sie überzeugt: „Wenn ich offen bin im Gespräch, sind es die Schülerinnen und Schüler auch. Ich erfahre mehr und kann manchmal so einschätzen, warum sich ein Schüler anders als gewohnt verhält, womit er möglicherweise gerade zu kämpfen hat.“ Soweit zu gehen, Schülern deshalb selbst via Social Media zu folgen, will sie auf keinen Fall gehen.

Bislang einmal nutzte die Referendarin mit den Fächern Englisch und Geschichte Instagram dienstlich. Dort teilte sie mit ihren Schülerinnen und Schülern den Bericht über das Leben einer 13jährigen, die Opfer des Holocausts geworden war. „Dadurch wurde Geschichte deutlich greifbarer und deshalb war es sinnvoll“, berichtet sie.

Schwammige Schulgesetze

An ihrem Gymnasium und im Kreis anderer Referendarinnen und Referendare ist der Umgang mit dem Netz immer wieder ein Thema. Viele machen sich Gedanken. Orientierung suchen sie auch in den Schulgesetzen der Länder. Was sie finden, ist eher schwammig. So heißt es etwa im Leitfaden für Beschäftigte der Bayerischen Staatsverwaltung: „Beamtinnen und Beamte steht die private Nutzung sozialer Netzwerke grundsätzlich frei. Allerdings wirkt der Beamtenstatus auch jenseits der eigentlichen Dienstgeschäfte. Das Verhalten der Beamtinnen und Beamten, aber auch der Tarifbeschäftigten, muss im privaten Umgang ebenfalls der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordert.“

Und: „Die Kontaktaufnahme als Follower dürfte in beide Richtungen (zwischen Lehrkräften, Schülerinnen, Schülern, aber auch Eltern - Anmerkung der Redaktion) grundsätzlich unzulässig sein. Lehrkräfte sollten selbstverständlich nicht ,Anhänger` ihrer Schülerinnen und Schüler sein, die sie zu erziehen und zu bewerten haben.“ Hinzugefügt wurden der Hinweis „Die Preisgabe von sensiblen, dienstlichen und dienstlich-personenbezogener Daten über soziale Netzwerke ist datenschutzrechtlich unzulässig“, sowie die Empfehlung eines defensiven Umgangs mit bestehenden Angeboten nichtstaatlicher sozialer Netzwerke.

Rollenklarheit ist gefragt

Der Leiter des Gymnasiums Kreuzgasse in Köln, Lüder Ruschmeyer, grübelt: „Darf ich einem Schüler, der mir per WhatsApp zum Geburtstag gratuliert auf gleichem Wege antworten, um mich zu bedanken? Darf ich diesem Schüler auch Erläuterungen zu seiner letzten Klausur auf diesem Wege zukommen lassen...? Darf ich als Lehrer Einsicht in den von Dritten dokumentierten privaten Chatverlauf der Schülerinnen und Schüler meiner Klasse nehmen, wenn es darum geht, etwa Mobbing zu unterbinden. Darf ich auch ´mitchatten`?“

Er weiß, das, was im bayerischen Schulgesetz auf knapp 30 Seiten formuliert wurde, hilft den Referendarinnen und Referendaren ebenso wenig wie die schulgesetzlichen Ausführungen zum Datenschutz (§§120 ff) in NRW. Als großer Fan von absoluter Rollenklarheit würde er nie „an Teilwelten der Kinder und Jugendlichen teilhaben“. Doch er betont auch: „Der Teufel steckt wie immer im Detail: Wo endet mein Recht auf die heute absolut übliche Art, digital zu kommunizieren, wo beginnt die Verletzung von datenschutzrechtlichen Bestimmungen oder die Missachtung eines amtsangemessenen Verhaltens?“

Der Herr Ehrhardt und seine Physikaufgaben

Kein Problem hätte wohl auch er mit Einsatz von Social Media, so wie ihn der 29jährige „Jung-Lehrer“ Johannes Ehrhardt regelmäßig betreibt. Offen gesteht er, dass er auf Instagram und Co. erst vor zwei Jahren durch Schülerinnen aufmerksam geworden war. Ihr Zuspätkommen entschuldigten sie mit dem Hinweis auf eine Sitzung der Schülervertretung. In ihr sei es um Lehrermobbing gegangen. „Was ist das denn für ein neumodischer Kram?“, habe er sich gefragt und anschließend schlau gemacht.

Dabei sei ihm klar geworden, dass er im Social Media-Kanal zwar niemals persönliche Informationen und Ansichten preisgeben würde. Doch er erkannte die Chance, Schülerinnen und Schüler für Physik zu begeistern. Und so stellt der Pädagoge des Albert-Schweitzer-Gymnasiums Erfurt regelmäßig Fragen und Übungen online. Seine Oberstufenschüler sind angetan. Sie steigen in die Diskussionen gerne ein – etwa, wenn Herr Ehrhardt, wie ihr Lehrer im Netz heißt, ein Foto von sich auf dem Rad samt darüber fliegendem Flugzeug einstellt und fragt: Wie groß ist die Umweltbelastung einer Person pro 100 Kilometer im Flugzeug im Vergleich zum Rad? Gegen derartigen Nutzen dürfte auch das bayerische Schulgesetz nichts einzuwenden haben.