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Reden ist Silber oder doch Gold?

(sl) Sie sind jung, dynamisch, voller Tatendrang und innovativer Ideen. Könnte man meinen. Doch trifft dies auf Referendarinnen und Referendare tatsächlich zu? Und wie reagieren die „alten Hasen“ auf den Lehrernachwuchs? Ein Blick in den Schulalltag.

Es ist ein Thema, zu dem sich Beteiligte gerne äußern. Allerdings lieber hinter vorgehaltener Hand, ohne ihre Identität preiszugeben. Schließlich sieht man sich am nächsten Tag im Lehrerzimmer oder dem Studienseminar wieder. Man muss zusammenarbeiten. Da gilt es, schlechte Stimmung zu vermeiden.

Achim könnte seinen Namen nennen. Zumindest, wenn er über die Erfahrungen in jenem Gymnasium mit 250jähriger Tradition berichtet, an dem er seit gut einem Jahr als Referendar tätig ist. „Ich kann meine Meinung einbringen. Das Kollegium hört sich das an, schätzt mich und meine Haltung“, sagt er. Seine Einstellung ist geprägt vom humanistischen Gedankengut. Vom Blick auf jeden Einzelnen. „Muss wirklich jeder zum selben Zeitpunkt dasselbe können – sozusagen auf Knopfdruck. Und die, die es können, sind gut und die, die es in diesem Moment noch nicht leisten, sind schlecht?“, grübelt er. Er ist überzeugt, dass in jedem ein Talent schlummert. Ein Schatz, der geborgen werden sollte. „Und darin sehe ich beispielsweise auch meine Aufgabe“, erläutert er.

Mit Mut Neues wagen

Das Kollegium seiner Schule kann sich damit durchaus identifizieren. Weiß aber mitunter nicht so recht, welchen Weg es dafür gehen muss. Und packen es deshalb manchmal nicht an. „Aus Unsicherheit“, glaubt der junge Referendar. Er wünscht sich mutige ältere Lehrerinnen und Lehrer, die auch einmal ein Wagnis eingehen, etwas ausprobieren und wenn erforderlich korrigieren. „Wir sollten unser eigenes Handeln und Tun reflektieren und immer auf den Prüfstand stellen. Schließlich wandeln sich die Gesellschaft und damit auch die Schülerinnen und Schülern“, fordert er. Er schiebt eine Hoffnung nach: „Wenn junge wie ältere Pädagogen neugierig auf Neues sind und sich auf Augenhöhe begegnen, dann kann sich Schule positiv weiterentwickeln.“

Warum er seine Identität nicht preisgeben möchte, liegt an dem, was er über sein Studienseminar zu berichten weiß. Hier fühlt er sich und seine Vorstellungen nicht wertgeschätzt. „Im Gegenteil, man möchte sich damit gar nicht auseinandersetzen“, musste er erfahren und wird, weil er „zu oft den Mund aufgemacht hat“ bereits argwöhnisch beäugt. Er betont, dass seine Erfahrungen nicht verallgemeinert werden können. Doch von Kolleginnen und Kollegen hat er Ähnliches gehört.

Eine Frage der Persönlichkeit

Friederike M. pflichtet ihm ausdrücklich nicht bei. Sie besucht ein anderes Studienseminar in einem anderen Bundesland. „Bei uns geht es oft hoch her und wir diskutieren auch, wie wir Unterricht interessant gestalten, wie wir Schülerinnen und Schüler motivieren und individuell fördern können“, meint sie. Achim erinnert sich bei diesem Thema an jenen Tag, als seine Seminarleiterin darum bat, „nun alles heute Erfahrene und unsere Arbeit kritisch zu bewerten.“ Damals ging es um Binnendifferenzierung. Der junge Referendar erlaubte sich den Hinweis, man spreche über Differenzierung, doch im Seminar würden alle dasselbe tun. Die „genervte“ Seminarleiterin konterte mit der bissigen Frage: „Wann und wo wurde heute so gearbeitet?“ Rechtfertigung und Angriff statt Aussprache. Achim: „Du wirst in Deinem Elan gebremst.“

Eine Seminarleiterin aus Nordrhein-Westfalen möchte das so nicht stehen lassen. „Es gibt nicht die tollen, engagierten und modernen jungen und die unmotivierten, unbeweglichen alten Lehrerinnen und Lehrer. Es ist immer eine Frage der Persönlichkeit“, ist sie überzeugt. Sie ermuntert „ihre“ Referendarinnen und Referendare ausdrücklich, das Gespräch mit dem Kollegium zu suchen. „Allerdings sollten sie auch nicht so daherkommen als wären sie diejenigen, die alles wüssten und könnten, die Älteren aber nicht.“

Kommunikation zum Wohl der Schülerinnen und Schüler

Ludger R., Leiter einer großen weiterführenden Schule, weiß um den Spagat zwischen Jung und Alt: „Es ist ein tägliches Ausjonglieren zwischen langgedienten und verdienten Lehrkräften und den jungen Neuen.“ Er hat die Kommunikation zur Chefsache gemacht, weil er spürte, dass sie die Fronten zu verhärten drohten. Er ist sicher: „Es darf nicht sein, dass ein guter Vorschlag auf taube Ohren stößt, nur weil er von einer Nachwuchslehrkraft kommt oder umgekehrt. Entscheidend ist, dass wir gemeinsam das Beste für die uns anvertrauten Schülerinnen und Schüler auf die Beine stellt.“

Die Chance sieht eine Berliner Referendarin für sich nur mit im Alleingang und im Zusammenspiel mit anderen Referendaren. Ihr Hauptseminar fällt exakt auf den Nachmittag an dem seit Jahrzehnten die Gesamtlehrerkonferenz ihrer Ausbildungsschule terminiert ist. Der vorsichtigen Bitte um Verlegung wurde nicht entsprochen: „Das haben wir schon immer dann gemacht…“ Die Berufseinsteigerin darf nun im Nachhinein das Protokoll lesen und gegebenenfalls ihr Veto einlegen. Doch sie spürt: „Wenn ich Vorschläge habe oder Ideen einbringe, ist es okay, wenn nicht aber auch.“ Einen Versuch will sie in Kürze starten: Dann wird sie vorschlagen, gemeinsam eine Fortbildung zu besuchen. Inhalt: Kommunikation im Team.