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Peers als Mahner und Aufklärer über Drogen

(sl) Drogenkonsum gilt als gängiges Phänomen bei jungen Menschen – nicht nur in der Disco, sondern auch in der Schule. Zu deren Aufgabe zählt die Aufklärung. Gut vorbereitete Peers, sprich Gleichaltrige, finden Gehör bei ihren Klassenkameraden.

Peter F. ist Referendar an einer weiterführenden Schule. Wo genau, möchte er nicht verraten. Was er zu sagen hat, überrascht: „Längst nicht alle Lehrerinnen und Lehrer sind bereit, sich einzugestehen, dass es auch an ihrer Schule Drogenmissbrauch gibt. Ich vermute, sie handeln so, zum einen, um den Ruf der Schule nicht zu gefährden, vor allem aber, weil sie nicht wirklich sicher sind, wie sie reagieren sollen.“ Soweit die Einschätzung des jungen Pädagogen, der mit seinem Vorschlag, sich stärker mit der Problematik zu beschäftigen, im Kollegium auf wenige offene Ohren gestoßen ist.

Eine Ausnahme? Man darf es hoffen. Ein Blick auf die Internetauftritte vieler Schulen dokumentiert, dass sich nahezu alle Drogenprävention auf die Fahne schreiben. Was die Kultusminister als selbstverständlich erachten. So heißt es seitens der Bayerischen Staatskanzlei: „Die Inhalte und Methoden der Suchtprävention bzw. die erzieherischen Maßnahmen bei gefährdeten Schülern sind in der Ausbildung aller Studierenden für ein Lehramt im Rahmen der erziehungswissenschaftlichen Studien und der fachdidaktischen Studienangebote einschlägiger Fächer verstärkt und wirklichkeitsnah zu berücksichtigen. Während des Vorbereitungsdienstes für ein Lehramt ist das Thema ,Suchtprävention‘ als verpflichtender Ausbildungsinhalt anzusprechen. Um ihren Erziehungsauftrag gewissenhaft zu erfüllen, müssen alle Lehrkräfte um stetige Information und Fortbildung zu Fragen der Suchtprävention bemüht sein. Es liegt im dienstlichen Interesse, dass die Lehrer – vor allem die Beauftragten für die Suchtprävention – die einschlägigen Angebote der staatlichen zentralen und regionalen Lehrerfortbildung nutzen.“

Vertrauen schaffen

So und ähnlich – mitunter schwammig - formuliert die Politik ihren Anspruch an Lehrkräfte. Doch der ist nicht immer und überall leicht zu erfüllen. Weiß die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Nordrhein-Westfalen: „Suchtmittel – legale wie illegale – sind im Jugendbereich weitverbreitet. Für Lehrkräfte und auch für Eltern ist es oft nicht einfach zu erkennen, ob Schülerinnen und Schüler Suchtmittel konsumieren oder ob sie suchtgefährdet sind.“

Peter F. kümmert sich aktuell um eine betroffene Jugendliche. Gemeinsam mit anderen Referendarinnen und Referendaren wollen sie durchsetzen, dass an ihrer Schule ein entsprechend fortgebildeter Drogenbeauftragter aktiv werden kann. So wie es an den meisten Schulen bundesweit der Fall ist. Sie dienen als Ansprechpartner für Schülerinnen und Schüler, deren Eltern, aber eben auch für das Kollegium. Materialien für jede Form des Drogenkonsums in allen Altersklassen existieren in großer Fülle und Qualität. Doch zu Experten, die das Problem alleine lösen können, werden die schulischen Drogenberater deshalb nicht. Auch wenn ihnen verstärkt Sozialarbeiter zur Seite stehen. „Sie können zuhören, als Vertrauensperson agieren und Kontakte zu Beratungsstellen herstellen“, sagt Kerstin Seiffert. Sie ist Kriminalhauptkommissarin in Nordrhein-Westfalen und unterstützt seit mehr als einem Jahrzehnt weiterführende Schulen beim Thema Drogenprävention.

Eine Projektwoche bewährt sich

Dort, wo sie aktiv wird, bietet sie einwöchige Peerprojekte an. Zwei Tage lang füttert sie ausgewählte Schülerinnen und Schüler einer Jahrgangsstufe mit Fachwissen. Sie erläutert die Suchtmittel („Cannabis ist die am häufigsten illegal konsumierte Droge“) und deren Folgen. Und sie erläutert beispielsweise, mit welchen Konsequenzen Schülerinnen und Schüler neben einer Anzeige rechnen müssen, wenn sie etwa beim Rauchen eines Joints von der Polizei erwischt werden. „Die wenigsten wissen, dass in solch einem Fall auch eine entsprechende Information an die Straßenverkehrsbehörde geht“, berichtet sie. Die Folge: Möchte der Erwischte eines Tages den Führerschein machen, erhält er dafür erst dann die Fahrerlaubnis, wenn er sich drei über ein Jahr verteilten Drogentests stellt und die äußerst schwierige wie kostspielige Medizinisch psychologische Untersuchung (MPU) erfolgreich absolviert hat.

Die von Kerstin Seiffert „ausgebildeten“ Schülerinnen und Schüler (Peers) erarbeiten am dritten Projekttag in Kleingruppen Vorträge in ihrer eignen jugendlichen Sprache. Nach einer Generalprobe, bei der Kerstin Seiffert noch einmal die Richtigkeit der Fakten checkt, sind es diese Peers, die ihren Mitschülern der gesamten Klassenstufe Wissen und Informationen zum Schluss der Projektwoche nahebringen. Die Kriminalhauptkommissarin hat die Erfahrung gesammelt, dass die Peermethode besonders gut ankommt und wirkt. Besonders bleiben die Erkenntnisse haften, wie schädlich E-Zigaretten entgegen anderer Behauptungen sind, wie schnell und stark Cannabis das Kurzzeitgedächtnis, die Motivation und Konzentrationsfähigkeit schädigt oder wie gefährlich eine Shisha im Vergleich zur Zigarette ist. Sie nehmen zudem wertvolle Tipps für Partys (auf Getränke achten/nichts von Fremden annehmen/die eigene Grenze beim Trinken kennen) mit.

Nachwuchs-Lehrkräfte besonders engagiert

Sind Referendarinnen und Referendare aufgrund ihres Alters besonders geeignet das Thema jenseits einer Projektwoche zu transportieren und als Ansprechpartner zu dienen? Kerstin Seiffert glaubt nicht, dass die altersbedingte Nähe einen besonderen Zugang zu den Schülerinnen und Schülern ermöglicht. Eher könnte es ihrer Meinung nach sein, dass dies den Nachwuchs-Lehrkräften gelingt, weil viele direkt nach dem Studium in diesen Themenbereichen besonders engagiert seien. Dieses Engagement sollte genutzt werden, Drogenprävention nicht als einmalige Aktion zu betrachten. Man könne das Thema in vielen Fächern platzieren. In Deutsch etwa durch die Lektüre eines Romans wie „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, in Ethik, Religion, Biologie, ja sogar Chemie. Und ganz sicher weiß sie: „Nur wer Vertrauen schafft, kann etwas bewirken.“